Trotz der EU-skeptischen Rhetorik ihrer Politiker ist die Sympathie für die Union unter den Osteuropäern groß.
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Diese Kluft schien schon überwunden. Die Teilung Europas in Ost und West, das enorme Wohlstands- und Demokratiegefälle, die Feindbilder und Stereotypen - all das sollte in eine immer entferntere Vergangenheit rücken je länger die ost- und mitteleuropäischen Staaten Mitglieder der EU sind. Doch auf einmal sind sie wieder da, die Klischees von den arroganten Westeuropäern, die auf ihre Partner herabblicken und von den Osteuropäern, die die Union lediglich als Geldautomaten betrachten. Im Streit um die Verteilung von Asylwerbern in der EU verschafften sich solche Gedanken wieder Platz, ebenso in der Debatte um die Rechtsstaatlichkeit in Polen oder Ungarn. Auf beiden Seiten brachen alte Vorurteile wieder auf. Die oft aggressive Rhetorik der Politiker ist dabei meist dem heimischen Publikum gewidmet. Gewählt wird schließlich in Warschau, Budapest, Wien und nicht in Brüssel.
Dabei ist die Stimmungslage in den Ländern Osteuropas bei weitem nicht so negativ, dass es die deklarierte EU-Skepsis mancher Regierungsmitglieder rechtfertigen würde. Das zeigt eine aktuelle Untersuchung der in Bratislava ansässigen Denkfabrik Globsec Policy Institute. Durchgeführt wurde die Befragung in Polen, Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien sowie Kroatien.
Ein Hang der Osteuropäer zu autoritären Führungsfiguren? Abrücken von den Werten der liberalen Demokratie? Ablehnung der EU? Was den jüngeren EU-Mitgliedern von manchen vorgeworfen wird, findet in der Studie kaum Bestätigung. Eine klare Mehrheit der Befragten will in der Union bleiben und hält sie für eine "gute Sache". In Polen und Rumänien finden das gar 80 Prozent der Menschen. Einen Ausreißer gibt es jedoch: Tschechien. Dort sind die meisten EU-Skeptiker zu finden. Nicht einmal die Hälfte der Bewohner würde für einen Verbleib ihres Landes in der Gemeinschaft stimmen. Jeder Vierte sieht die EU als "schlechte Sache" an.
In allen Staaten jedoch wird eine stärkere Orientierung nach Westen denn nach Osten konstatiert - aber auch ein ausgeprägter Wunsch nach geopolitischer Neutralität. Als "Teil des Ostens" definieren sich 14 Prozent der Rumänen und zwölf Prozent der Bulgaren. Ansonsten bewegen sich die Werte im einstelligen Bereich: drei Prozent in Polen, fünf Prozent in Ungarn. Dort allerdings verortet sich die Hälfte der Befragten irgendwo dazwischen. Eine neutrale Position bevorzugen ebenfalls an die 40 Prozent der Slowaken und der Tschechen. In der Slowakei gibt es auch die geringste Unterstützung für eine Zuordnung zum Westen: Sie liegt gerade einmal bei 21 Prozent.
Das ändert aber nichts daran, dass die liberale Demokratie gewinnt - und zwar 7:0, wie die Studienautoren schreiben. In allen sieben Ländern stellt eine klare Mehrheit dieses System über eine Autokratie. Lediglich in Bulgarien wird sie von nur 42 Prozent der Befragten geschätzt - und bloß fünf Prozent weniger hätten nichts gegen einen autoritären Führungsstil einzuwenden. Dazu passt ein anderes Ergebnis: 70 Prozent der Bulgaren mögen Wladimir Putin. Am wenigsten Sympathie für den russischen Präsidenten gibt es in Polen: Nur jeder zehnte Pole äußert sich positiv.