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Irische Wachstumsschmerzen

Von Ronald Schönhuber

Wirtschaft

Früher war bei Ryanair vieles egal. Der Streiksommer zeigt, dass sich Europas größte Billigflieger so nicht mehr führen lässt.


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Dublin. Dass er anders sein möchte als die anderen, hat Michael O‘Leary schon vor knapp 15 Jahren deutlich gemacht. Damals war der Chef der irischen Billigfluglinie Ryanair mit einem Panzer aus dem Zweiten Weltkrieg durch das englische Städtchen Luton gefahren, um vor der Zentrale des Konkurrenten Easyjet medienwirksam den Preiskrieg zu eröffnen. "Wir werden das Luftfahrtgeschäft, so wie wir es kennen, zerstören", rief O‘Leary als er schließlich vor dem Easyjet-Hauptquartier angekommen war.

PR-Stunts wie diese konnte sich O‘Leary damals problemlos leisten. Denn die skurrilen Marketingauftritte, bei denen er auch schon einmal als Putzfrau oder Batmans Assistent Robin auftauchte, sorgten dafür, dass die damals noch vergleichsweise kleine Fluglinie trotz geringer Werbebudgets wahrgenommen wurde. Vor allem aber befand sich die 1985 gegründete Airline mitten in einem spektakulären Steilflug: Jahr für Jahr wuchsen die Passagierzahlen und der Umsatz, die Flotte wurde um immer neue Maschinen erweitert.

Doch mittlerweile ist die Fluglinie, die gerne anders als die Konkurrenz sein wollte, aber selbst eine andere geworden. Denn mit rund 430 Flugzeugen, 130 Millionen Passagieren pro Jahr und mehr als 14.000 Beschäftigten ist Ryanair zu einem europäischen Branchenriesen geworden. Und dieser kann nach Meinung vieler Luftfahrtexperten nicht mehr so hemdsärmelig geführt werden wie in den wilden Anfangsjahren der Ryanair.

Das Personal auf den Barrikaden

Wo die Probleme des größten europäischen Billigfliegers liegen, zeigen vor allem die nun veröffentlichten Quartalszahlen deutlich. Denn dass der Gewinn zwischen April und Juni mit 319 Millionen Euro um 20 Prozent geringer ausfiel als im Vorjahreszeitraum ist zwar zum Teil den nun wieder deutlich höheren Kosten für Treibstoff geschuldet. Einen nicht unwesentlichen Anteil am schlechteren Ergebnis haben allerdings niedrigere Ticketpreise und gestiegene Personalkosten.

Mit beiden Posten hat die irische Fluglinie, deren Aktien am Montag um bis zu fünf Prozent absackten, derzeit stärker zu kämpfen als die Konkurrenz. Denn der Billigflugpionier, der in vergangenen Jahren mit großem Eifer gegen alle gewerkschaftlichen Aktivitäten aufgetreten ist, steckt in einem tief greifenden Wandel, seit sich die Piloten und Flugbegleiter europaweit vernetzen, um höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen durchzusetzen.

Gekämpft wird dabei mit harten Bandagen. So hat Ryanair zwar schon allen britischen Piloten eine Gehaltserhöhung von 20 Prozent zugestanden und für das laufende Geschäftsjahr Mehrkosten von 110 Millionen Euro für höhere Löhne eingerechnet. Doch in vielen europäischen Ländern, in denen Ryanair Basen unterhält, haben die schon seit Wochen geführten Verhandlungen bisher zu keinem Erfolg geführt. So gibt es immer wieder grundlegende Meinungsverschiedenheiten darüber, ob nun irisches oder das jeweilige nationale Recht gilt, oder welche Gewerkschaftsvertreter an den Verhandlungen überhaupt teilnehmen dürfen. Im Detail zeigten sich die Ryanair-Manager extrem hartleibig, sagte Markus Wahl von der deutschen Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit der Nachrichtenagentur dpa.

Kompromisse dürfte es dabei nicht so schnell geben. "Wir sind nicht bereit, unangemessenen Forderungen nachzugeben, die entweder unsere niedrigen Tarife oder unser hocheffizientes Modell gefährden werden", erklärte O‘Leary bei der Vorstellung der Quartalszahlen am Montag.

Ryanair dürfte damit vor einem harten Streiksommer stehen. Einem ersten Piloten-Warnstreik zu Weihnachten in Deutschland und einem mehrtägigen Ausstand der Kabinencrews zu Ostern in Portugal folgen nun in der Hauptreisezeit im immer engeren Takt kleinteilige Arbeitskämpfe irgendwo im weiten Ryanair-Reich. So wollen am heutigen Dienstag die irischen Piloten bereits zum dritten Mal heuer die Arbeit niederlegen, am Mittwoch und Donnerstag ist dann ein Ausstand der Flugbegleiter in Italien, Spanien, Portugal und Belgien geplant. An beiden Tagen hat Ryanair 300 von mehr als 2400 geplanten Flügen abgesagt, unmittelbar betroffen sind je rund 50.000 Passagiere.

Die scheinbar lokalen Ausstände können aber auch Folgen für Passagiere in anderen Ländern haben, denn die Routen der Jets gehen jeden Tag quer durch Europa. Eine Maschine, die in der Früh in Italien wegen Personalmangels stehen bleibt, kann mittags auch nicht in Deutschland oder England zu einem Folgeflug abheben. "Der Ryanair droht ein Dauerkonflikt, in dem irgendwo immer gestreikt wird", sagt Christoph Drescher, Präsident des europäischen Kabinenbeschäftigtenverbandes Eurecca.

Die Angst vor diesem Dauerkonflikt lässt sich auch an den Quartalszahlen ablesen. Analysten zufolge haben die Streiks bereits jetzt dazu geführt, dass die Kunden beim Ticketkauf in den vergangenen Monaten zurückhaltender waren. Und auch im wichtigen Sommerquartal dürfte sich die Lage nicht viel bessern. So erwartet O‘Leary bei den Ticketpreisen nun nur noch einen Anstieg von einem statt von vier Prozent.

Schweres Jahr für Laudamotion

Nicht von den Streiks betroffen ist die heimische Billigfluglinie Laudamotion, an der Ryanair bald 75 Prozent halten wird. Dort wird derzeit ein Kollektivvertrag verhandelt. Laut Geschäftsführer Andreas Gruber soll es für die Belegschaft in Österreich noch diesen Sommer zu einer Lösung mit Gewerkschaft und Betriebsrat kommen. Unbeschwert ist die Zukunft für die Laudamotion dennoch nicht. Laut dem am Montag vorgelegten Quartalsbericht stehen ihr ein "sehr schwieriges erstes Jahr" und ein Verlust von 150 Millionen Euro bevor.