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Irischer Zweckoptimismus

Von Alexander U. Mathé aus Irland

Europaarchiv

Iren entscheiden morgen über den EU-Reformvertrag. | Nein im Aufwind. | Dublin. Siegesgewiss blickt die irische Regierung der Volksabstimmung über den EU-Reformvertrag entgegen. Als einziger EU-Mitgliedstaat stimmt Irland morgen, Donnerstag, über die neue Rechtsgrundlage der Union in einem Referendum ab. Sollte dieses negativ ausfallen, dann würde der neue Vertrag nicht in Kraft treten. Dass dies der Fall sein könnte, schließt die irische Regierung allerdings kategorisch aus.


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Premierminister Brian Cowen ist dermaßen siegesgewiss, dass er bereits verkündet hat, die politische Verantwortung im Falle eines Neins voll tragen zu wollen. Doch gerade diese Sicherheit ist es, die das Referendum für die Befürworter des Vertrags so unangenehm macht. "Das reizt natürlich viele Menschen, gegen den Strom zu schwimmen", erklärt der ehemalige Finanzminister und Chef der "Yes to Lisbon"-Kampagne, Ruairi Quinn.

Viele Politiker, die das Ja bereits sicher wähnen, nutzen die Volksabstimmung gleich als Gelegenheit, für sich und die EU-Wahlen nächstes Jahr Werbung zu machen. Dementsprechend findet man auf vielen Plakaten nur mit Mühe den Hinweis, dass es eigentlich um das Referendum über den EU-Vertrag geht.

Das hat es den Lissabon-Gegner unter anderem erleichtert, in den vergangenen Wochen eine beispiellose Aufholjagd zu starten. Innerhalb von drei Wochen gewannen sie in den Umfragen 17 Prozentpunkte dazu und liefern sich nun mit dem Ja-Lager ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Mitten in den Wahlkampf um das Referendum platzte zudem am Dienstag noch eine schlechte Nachricht: Irland hat bei der Arbeitslosigkeit einen neuen Rekordwert erreicht. Die irische Statistikbehörde verlautbarte, dass die Zahl der Arbeitslosen im Mai auf mehr als 200.000 gestiegen sei und sich somit auf dem höchsten Stand seit 1999 befinde. Dies bedeutet eine Arbeitslosenquote von 5,4 Prozent. Zahlen, die das Nein-Lager in seiner Skepsis dem neuen Vertrag gegenüber bestärken.

Vertragsgegner betont für die EU

Doch viele Menschen erinnern sich, dass es früher noch schlimmer war. "Die haben wohl alle schon vergessen, dass wir vor unserem Beitritt zur Europäischen Union eine Bananenrepublik waren", erbost sich ein älterer Herr in Dublins Einkaufstraße Grafton Street. "Erst durch die Unterstützung der EU haben wir den Aufstieg geschafft."

Doch um antieuropäische Gefühle geht es den Vertragsgegnern offiziell gar nicht. Fast einmütig deklarieren sie sich als EU-Befürworter. Nur wollen sie eben einen besseren Vertrag als diesen. Genau das sei aber unmöglich, heißt es von Seite der Regierung. Im Gegensatz zum Vertrag von Nizza - den die Iren ablehnten und erst nach Nachverhandlungen akzeptierten - werde es keine zweite Abstimmung geben. "Es gibt keinen Plan B. Die Forderungen von Nachverhandlungen sind auch fadenscheinig. Konkretes wie: Dieser oder jener Punkt gefällt uns nicht, geht nach Brüssel und verhandelt das neu, bekommen wir von den Nein-Sagern nämlich nicht zu hören", sagt Quinn.

Dieses Argument wollen die Gegner des Reformvertrags nicht gelten lassen. "Die Regierung lügt, wenn sie sagt, dass man keinen besseren Vertrag ausverhandeln kann", erklärt der Chef der nationalistischen Sinn Fein, Gerry Adams. Seine Erfahrungen im nordirischen Friedensprozess hätten ihn gelehrt, "dass es immer einen Plan B gibt".

Auch aus Österreichs Politik sind ähnlich beschönigende Worte zu hören, die nichts von einem Super-Gau im Falle eines Neins wissen wollen. Doch Fakt ist, dass die Szenarien dann alles andere als rosig wären, wie Vertragsexperte Hugo Brady vom Centre for European Reform für die "Wiener Zeitung" analysiert (siehe Artikel unten).

Und welcher Unfall könnte für den Lissabon-Vertrag größer sein, als abgelehnt zu werden?