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Irisches Votum für Neutralität

Von Gerald Mader

Europaarchiv

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Die EU wurde nach 1945 als großes Friedensprojekt gestartet. Mit Recht. Es war nicht notwendig, die Bevölkerung für diese Idee zu gewinnen, da diese noch mehr als die politische Klasse am Frieden interessiert ist. In den Verträgen von Maastricht, Amsterdam und Nizza stand aber nicht die Friedensidee, sondern die Militarisierung der EU und im zunehmendem Maße die Ethik des nationalen Ego im Vordergrund. Es spricht für das Friedensverständnis der europäischen Bevölkerung, dass sie von dieser Entwicklung nicht begeistert ist, sondern ihr mit Skepsis begegnet.

Statt diese Friedensidee im Zusammenhang mit der Osterweiterung und den damit verbundenen Problemen im Bewusstsein der Öffentlichkeit wieder zu beleben, findet das Gegenteil statt, indem unwirkliche Bedrohungsszenarien an die Wand gemalt werden, in die Österreich angeblich in Zukunft verwickelt sein wird. Hierzu zählen auch Erklärungen, wie dass Österreich das erste Land der EU ist, das eines militärischen Beistandes in 5 oder 10 Jahren bedarf. Wieso?

Das Problem der schwindenden Zustimmung der Bevölkerung zur EU kann durch bloße Information aus Sicht der Regierungen nicht überwunden werden. Vor allem liegt es nicht am Mangel an Information, sondern es sind die einseitigen Informationen, die Desinformationen, welche das Misstrauen der Bevölkerung bewirken. Dies gilt vor allem für den Bereich der Sicherheitspolitik, in der die Militarisierung der EU die Friedensidee verdrängt hat. Der Bevölkerung der neutralen Staaten wie Irland und Österreich wurde vor dem EU-Beitritt immer wieder erklärt, dass dieser die Neutralität nicht berühre und nach dem erfolgten Beitritt hieß es plötzlich, dass für die Neutralität in der EU kein Platz sei. Kann man es der Bevölkerung verübeln, wenn sie sich für dumm verkauft vorkommt? Nicht die Idee Europa und die Osterweiterung sind in Misskredit gekommen, sondern die Regierungen wurden unglaubwürdig, weil sie eine Militarisierung der EU betreiben und versuchen, die Zustimmung der Bevölkerung durch Tricks, falsche Informationen und Halbwahrheiten zu erreichen.

Besonders gefährlich ist die Desinformation im Bereich der Verteidigungspolitik, da hier Gremien, die nicht demokratisch legitimiert sind, in nichttransparenter Form über Rüstung, Militär sowie Krieg und Frieden entscheiden. Die Regierungen reden ständig von Verteidigung, aber tatsächlich geht es ihnen um den Aufbau einer europäischen Interventionsarmee, welche den Macht- und Wirtschaftsinteressen der Großmächte entspricht. Es ist inkonsequent gegen den "Wahnsinn der Großmächte" zu wettern, aber ihren Rüstungswahnsinn, ihre militärischen Großprojekte und ihre militärischen Weltmachtträume zu unterstützen. Eine sachliche Information müsste daher zwischen Verteidigung und Intervention unterscheiden und müsste die Frage stellen, gegen welchen Feind sich Europa verteidigen muss und warum wir ein Militär brauchen, das fähig ist, in der ganzen Welt militärisch intervenieren zu können. Vor allem aber, warum ein Kleinstaat wie Österreich sich daran beteiligen soll. Die Kleinstaaten, die sich daran nicht beteiligen wollen, sind nicht unsolidarisch, aber sie nehmen ihre Verantwortung gegenüber der Bevölkerung ernst, damit sie nicht in militärische Abenteuer der Großmächte verwickelt werden.

Schon heute kann man davon ausgehen, dass die EU die irische Neutralität neu anerkennen wird. Zur Freude der österreichischen Neutralitätsanhänger, die sich hierdurch bestätigt fühlen und sich einen Aufwind für die österreichische Neutralitätsdebatte versprechen. Österreich sollte eine ähnliche Klarstellung seiner Neutralität anstreben, wenn Irland seine Neutralität in einem Zusatz garantiert erhält. Dazu bedarf es in Österreich keiner kontraproduktiven Volksbefragung oder Volksabstimmung, sondern eines entsprechenden Beschlusses des österreichischen Parlaments, mit dem es dem politischen Willen der österreichischen Bevölkerung Rechnung trägt. Die Österreicher sind lieber Trittbrettfahrer als Anhängsel einer verrückten Großmachtpolitik, die immer mehr Ressourcen für eine unsinnige Rüstung verschwendet.

Dr. Gerald Mader leitet das Österreichische Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung (ÖSFK) in Stadtschlaining/Burgenland.