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Irland pocht auf Garantien

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik
Auf Plakaten geben irische Grenzlandgemeinden ihren Unmut über den Brexit und dessen Konsequenzen kund.
© reu/Kilcoyne

Dublin droht im Grenzstreit mit London mit Blockade der Brexit-Verhandlungen.


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London. Die irische Regierung stemmt sich weiter vehement gegen einen Sprung ins Ungewisse an der Schwelle zum Brexit - und beharrt auf detaillierten britischen Garantien, bevor die EU auf ihrem Gipfel Mitte Dezember sich für die Aufnahme von Gesprächen über einen Handelsvertrag mit Großbritannien ausspricht. Sollte London in den nächsten Tag keine überzeugende Lösung zur Vermeidung einer harten Grenze quer durch Irland anbieten, ist Dublin entschlossen, Verhandlungen über die künftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU via Brüssel zu blockieren.

Der irische Vize-Premier und Außenminister Simon Coveney erklärte dazu am Freitag, der Brexit habe "weitreichende Konsequenzen" für Irland und für die in den letzten zwanzig Jahren mühsam erkämpfte "Normalisierung" des Lebens auf der Grünen Insel. Er sei sich sicher, sagte Coveney, dass die anderen 26 EU-Mitglieder Dublin in dieser Frage "solidarisch" zur Seite stünden. Zu erzielen sei eine Übereinkunft mit London durchaus, meinte der Minister. Weiteren Rückhalt durch die EU erbat sich Irlands Regierungschef Leo Varadkar von EU-Ratspräsident Donald Tusk, der am Freitag nach Dublin reiste.

Die irische Weigerung, sich von London auf eine Lösung der Grenzfrage zu einem späteren Zeitpunkt vertrösten zu lassen, ist für Großbritannien bei der Aushandlung der Austrittsbedingungen mit der EU zum zentralen Problem geworden. Am kommenden Montag soll Premierministerin Theresa May in Brüssel ihr Angebot zu den drei Knackpunkten - den britischen Zahlungen an die EU, den künftigen Rechten von EU-Bürgern in Großbritannien und der Frage der irischen Grenze - unterbreiten, damit die EU zehn Tage später einen Beschluss zum Fortgang der Verhandlungen fassen kann.

London dringt auf eine rasche Aufnahme von Gesprächen über einen Handelsvertrag mit der EU. Die Regierung Mays geht davon aus, dass sich mit elektronischen Mitteln und mit ausgelagerten Kontrollen die Einrichtung einer harten Grenze in Irland vermeiden ließe und alles andere später noch abzuklären sei.

Dublin hingegen hält solche Versicherungen für unzureichend. Dass Irland dem Königreich einfach blind vertrauen solle, weil sich alles noch über einen neuen Handelsvertrag regeln lasse, ist für Außenminister Coveney eine Aufforderung zum "Sprung ins Ungewisse". Ein späterer Vertragsschluss, der das erlauben würde, sei keineswegs sicher, meint der Ire: "Zu dem wird es ja vielleicht gar nicht kommen. Wir wissen es einfach nicht."

Diese Auffassung teilt auch der parteiübergreifende Brexit-Ausschuss des britischen Unterhauses. Die Frage der irischen Grenze sei "bisher noch ungelöst", befand am Freitag dessen Vorsitzender Hilary Benn.

Unionisten erhöhen Druck

In seinem zum Wochenende vorgelegten Report erklärt der Ausschuss, der britischen Regierung sei es "nicht gelungen", den Beweis anzutreten, dass es zu keiner harten Grenze in Irland kommen werde, wenn erst das Vereinigte Königreich aus dem EU-Binnenmarkt und der EU-Zollunion austrete, wie geplant.

Die von London erwähnten Methoden unsichtbarer Grenzkontrollen seien selbst nach Regierungsangaben "unerprobt und in gewissem Masse spekulativ", meint der Report. Auch vier der acht konservativen Ausschuss-Mitglieder schlossen sich diesem Urteil an.

Auf der anderen Seite sieht sich die Regierung May hart bedrängt von Nordirlands Partei der Demokratischen Unionisten (DUP), die mit ihren zehn Unterhaus-Abgeordneten die Minderheitsregierung bislang an der Macht gehalten hat. Die DUP hat unverblümt erklärt, sie werde May stürzen, falls diese irgendeine Abkoppelung Nordirlands von Großbritannien zulasse.

Die DUP-Drohung ist eine Reaktion auf Dublins Idee, Nordirland weiter in der EU-Zollunion zu belassen - oder zumindest eine Bindung Nordirlands an EU-Zollbestimmungen zu vereinbaren, um die Grenze weiter offen zu halten. DUP-Chefin Arlene Foster hat sich erbost ausgesprochen gegen jeden Versuch, Nordirland "anders zu behandeln" als den Rest des Königreichs.

Sollte May der EU in diesem Punkt nachgeben, würde die DUP darin den Beginn des Zerfalls des Vereinigten Königreichs sehen und den Pakt mit May unverzüglich aufkündigen. Die DUP verlangte am Freitag ein sofortiges Treffen mit der Premierministerministerin, nach deren Rückkehr von einer Nahost-Tour.