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Mit 1. Jänner hat Irland für ein halbes Jahr die Ratspräsidentschaft von Italien übernommen. Die Verfassung und die Erweiterung der Europäischen Union stehen ebenso auf der Tagesordnung wie die Steigerung des Wirtschaftswachstums und die Verbesserung der transatlantischen Beziehungen.
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Angesichts der Fülle des Arbeitsprogramms hat die irische Regierung in ihrer EU-Botschaft in Brüssel sogleich das Personal von 80 auf 160 verdoppelt. Botschafterin Anne Anderson (51) - die einzige Frau unter den "Ständigen Vertretern" der Mitgliedstaaten bei der EU - ist denn auch als workaholic bekannt. Und die Iren setzen auf ihre Erfahrung bei der Konfliktlösung in Nordirland.
Fingerspitzengefühl wird in der Tat erforderlich sein, wenn "Taoiseach" (Gälisch für Premierminister) Bertie Ahern (52) die unterschiedlichen Positionen der Mitgliedstaaten zur EU-Verfassung bis Juni zusammenführen will. Man werde zunächst die Kompromissbereitschaft sondieren und beim EU-Gipfel am 25. März einen Bericht vorlegen, kündigte Außenminister Brian Cowen an. Vom Meinungsbild in den EU-Hauptstädten hänge es ab, ob Irland dann Kompromissvorschläge auf den Tisch lege.
Unter dem italienischen Vorsitz von Silvio Berlusconi ist die EU-Verfassung in erster Linie an der Frage des Abstimmungsmodus im mächtigen Ministerrat gescheitert. Während Spanien und Polen an der (sie begünstigenden) Regelung des Nizza-Vertrages festhielten, wollten Frankreich und Deutschland sich ebenso wenig bewegen und den ihrer Ansicht nach gerechteren Konventsvorschlag tel quel übernehmen.
Die Entscheidung über das europäische Grundgesetz dürfe nicht zu lange aufgeschoben werden, "ohne Einfluss darauf zu haben, wie die EU sich sieht und von anderen gesehen wird", warnte der irische Außenminister. Überlegungen Deutschlands und Frankreichs, notfalls außerhalb der EU-Verträge mit einer Gruppe von Staaten enger zusammenzuarbeiten, lehnt Irland ab. "Wenn alle 25 zusammenstehen, ist das der beste Weg", so Cowen.
Das werden die Mitgliedstaaten bestimmt am 1. Mai tun, zumindest dem protokollarischen Zeremoniell gemäß. Dublin möchte die größte Erweiterung in der Geschichte der EU mit einem großen Fest zelebrieren. Drei Mio. Euro wurden dafür veranschlagt. Die gälische Folklore soll dabei nicht zu kurz kommen.
Tradition hat auch der EU-Frühjahrsgipfel im März, der üblicherweise ganz im Zeichen der Wirtschaftspolitik steht. Denn die EU hat sich das Ziel gesteckt, bis 2010 der weltweit größte Wirtschaftsraum zu sein ("Lissabon-Strategie"). Irland selbst, das vor genau 30 Jahren der Union beigetreten ist, hat von der EU-Mitgliedschaft ungemein profitiert und gilt mittlerweile als "Keltischer Tiger". Dublin möchte daher Vorbild für die neuen EU-Länder sein.
Das anglo-amerikanische Naheverhältnis hofft die Mitte-Rechts-Regierung nützen zu können, um insbesondere nach dem Irak-Krieg das Klima zwischen EU und USA wieder auszugleichen. Fortschritte strebt Dublin zudem in den Asyl- und Justizfragen an.
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