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Irland und Griechenland: Euroländer in sehr unterschiedlichen Nöten

Von Hermann Sileitsch

Analysen

Wer sich daran erinnert, wie im Mai jedes noch so ferne Gerücht über Probleme in der Eurozone umgehend die Gemeinschaftswährung auf Talfahrt geschickt hatte, reibt sich verblüfft die Augen. Die Euro-Krise ist mit voller Wucht zurückgekehrt: Irland verkündet, dass das staatliche Budgetloch ein Drittel der Wirtschaftsleistung ausmachen wird. Spaniens Zahlungsfähigkeit verliert ihre Bestnote. Und dennoch erreichte der Euro gegenüber dem Dollar Donnerstag Mittag ein neues Fünf-Monats-Hoch. Was passiert hier?


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Eine einzelne Erklärung würde wohl zu kurz greifen. Offenkundig waren die Märkte auf den aufziehenden Sturm bestens vorbereitet. Irlands Probleme waren bekannt, die Ratingagenturen hatten vor Tagen vor einer Abstufung gewarnt. Die schlechten Nachrichten waren somit "eingepreist", wie es in solchen Fällen im Finanzsprech heißt. So seltsam das klingt: Die Erleichterung, dass Summen und Pläne für eine Rettung der Crash-Banken auf dem Tisch liegen, überwiegt gegenüber dem Schrecken über das Ausmaß der Löcher, die sich hier auftun.

Ähnlich verhält es sich mit der Abwertung Spaniens: Diese ist objektiv betrachtet keine gute Nachricht. Investoren, die immer schon drei Schritte weiter in die Zukunft denken, werten sie aber sehr wohl als positiv. Warum? Moodys hat als letzte der drei großen Agenturen die Bewertung gesenkt; das war keine große Überraschung. Für die Investoren ist deshalb eher der Ausblick der Ratingagentur wichtig - und hier verblüfft, dass Moodys die Aussichten für "stabil" hält. Summa summarum also eine gute Nachricht.

Eurozone ist vorbereitet

Abgesehen von den Eigenwilligkeiten der Märkte gibt es aber noch zwei wesentliche Gründe für die seltsam optimistische Euro-Laune.

Zum einen ist das die Schwäche des Dollar: Die USA sind gegenwärtig viel zu sehr mit ihren eigenen Konjunktursorgen beschäftigt, als dass sie aus den Problemen der Europäer Kapital schlagen könnten. Das war Anfang Mai noch ganz anders: Da wähnten sich die Amerikaner auf der Überholspur, alle wirtschaftlichen Indikatoren standen auf Wachstum.

Und nicht zuletzt sind Eurozone und EU - allen Unkenrufen zum Trotz - heute viel besser auf die Irland-Krise vorbereitet: Der europäische Rettungsschirm ist mittlerweile so weit aufgespannt, dass er jederzeit zum Einsatz kommen könnte. Das war bei Griechenlands Zahlungsnöten ganz anders - man denke nur an Deutschlands Zaudern und Zögern. Es bewahrheitet sich einmal mehr, dass die Finanzmärkte nichts so sehr hassen wie Ungewissheit.

Was nicht unerwähnt bleiben sollte: Ein Unterschied zwischen den Ländern ist, dass sich Irland - Banken hin oder her - in einer viel stärkeren Wettbewerbsposition als Griechenland befindet.

Siehe auch:Irlands Defizit bricht alle Rekorde