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Wirtschaft boomt seit Jahren - die Iren jammern trotzdem. | Wird die Sinn Fein zum Zünglein an der Waage? | Frankfurt/Dublin. (ap) Schon seit zehn Jahren ist Bertie Ahern irischer Ministerpräsident. Während dieser Zeit setzte sich der Wirtschaftsboom fort, der der Ansiedlung neuer Elektronik- und Computerfirmen Ende der 80er Jahre folgte und Irland zum "keltischen Tiger" machte. Mit Blick auf diese Erfolgsbilanz strebt der Chef der konservativen Partei Fianna Fail bei der Parlamentswahl am morgigen Donnerstag eine dritte Amtszeit an. Doch ob ihm das gelingen wird, ist unsicher.
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Denn das Wirtschaftswachstum, das in den 90er Jahren mehrmals zweistellige Quoten aufwies, ist auf rund 5,5 Prozent zurückgegangen. Es liegt damit zwar immer noch deutlich über dem Durchschnitt der Europäischen Union, gejammert wird in Irland dennoch - etwa über die hohen Mietpreise. So bieten die "kleinen Sorgen" Kritikern genug Anlass, die unternehmerfreundliche Wirschaftspolitik der Regierung zu attackieren und mehr soziales Denken einzufordern.
Die größte Oppositionspartei Fine Gael unter ihrem Vorsitzenden Enda Kenny wirft Ahern vor, die Gewinne aus dem Wirtschaftswachstum verschleudert und Wahlversprechen gebrochen zu haben. Der Taoiseach, wie das Amt des irischen Regierungschefs auf Gälisch heißt, hält dagegen, dass Kennys Vorschläge zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung und der Kriminalitätsbekämpfung von seinen Budgetvorstellungen nicht gedeckt seien.
Fine Gael ("die Familie der Gälen") ist wie Fianna Fail ("die Soldaten des Schicksals") konservativ ausgerichtet. Die Unterschiede zwischen beiden Parteien sind historisch bedingt und gehen auf konträre Positionen im irischen Unabhängigkeitskampf zurück. Gleichwohl hat sich Fine Gael schon vor der Wahl mit der Labour Party von Pat Rabbitte verbündet. Damit könnte es zu einem Linksruck im Wirtschaftsparadies kommen.
Fianna Fail holt auf
In den Meinungsumfragen lagen Fine Gael und Labour lange Zeit mehr oder weniger gleichauf mit der jetzigen Regierungskoalition aus Fianna Fail und den liberalen Progressiven Demokraten unter Michael McDowell. Kurz vor der Wahl konnte Ahern jedoch deutlich aufholen. Sein Koalitionspartner indessen fiel in der Wählergunst auf zwei Prozent zurück, sah sich zum Kampf ums politische Überleben gezwungen und ging prompt auf Distanz zu Ahern. So verlangte McDowell eine öffentliche Erklärung des Regierungschefs zu Gerüchten, er habe als Finanzminister in den 90er Jahren dubiose Zuwendungen von Geschäftsleuten erhalten.
Letzten Umfragen zufolge kommen Fianna Fail und Progressive Demokraten - wenn sie denn noch koalieren wollen - zusammen auf etwa 43 Prozent. Das Oppositionslager könnte genau denselben Stimmenanteil erzielen - nämlich dann, wenn sich Fine Gael und Labour mit den Grünen unter Trevor Sargent zusammenschließen. Eine solche "Regenbogenkoalition" gilt bei den Buchmachern ohnehin als die wahrscheinlichere Variante.
Doch selbst dann könnte die absolute Mehrheit der 166 Sitze im Dail Eireann verfehlt werden. Zünglein an der Waage wäre in diesem Fall Sinn Fein. Diese nationalistische Partei verspricht sich vor allem Stimmengewinne für ihre Rolle beim Friedensprozess in Nordirland und der kürzlichen Regierungsbildung in Belfast. Sinn-Fein-Chef Gerry Adams macht denn auch kräftig Wahlkampf im Süden der "Grünen Insel" und hofft, die prognostizierten neun bis zehn Prozent für seine Partei noch zu steigern.
Allerdings haben sowohl Fianna Fail als auch Fine Gael geschworen, niemals mit Sinn Fein zusammenzuarbeiten. Wahrscheinlicher wäre ein Minderheitskabinett, das von Unabhängigen unterstützt wird. Auf diese Weise hat Ahern in seiner ersten Amtsperiode von 1997 bis 2002 regiert.