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Die Geschichte scheint ein feines Gespür für Ironie zu haben. Der EU-Beitritt, so hofften die paar Liberalen und befürchteten die Verteidiger des Status quo, sollte Österreich durchlüften, mit Wettbewerb beleben und schließlich mit dem Primat der Sozialpartner in der Politik brechen.
Diese Hoffnungen und Befürchtungen haben sich nur zum Teil bewahrheitet. Tatsächlich ist Österreich auf gutem Wege, die Union zu austrifizieren. Jüngstes Beispiel: Am Mittwoch hat die EU-Kommission ihre Pläne für eine Beschäftigungsgarantie für Jugendliche präsentiert; Österreich lieferte dafür die Blaupause. Auch die duale Ausbildung gilt mittlerweile als Erfolgsmodell, nachdem sich das Ziel einer Akademisierung aller Werktätigen als Sackgasse herausgestellt hat; das Gleiche gilt für unsere Art kollektivvertraglicher Aushandlung von Lohnerhöhungen, die Streik oder Aussperrung minimiert. Kurz: Die Idee der Sozialpartnerschaft ist dabei, sich in Europa Anerkennung zu verschaffen. Keine Rede mehr von Auslaufmodell.
Lob, wem Lob gebührt.
Darüber sollte man jedoch nicht den Blick für das größere Ganze verlieren. Der Primat der Politik liegt nach der Verfassung beim Parlament. Das Wunschbild der Sozialpartner als heimliche Macht, und sei es verklausuliert als Nebenregierung, ist mit der Idee einer parlamentarischen Politik unvereinbar. Eine solche hat den unschätzbaren Vorteil, dass Verhandlungen in der Regel transparent und öffentlich vonstattengehen und Verantwortlichkeiten klar zugeordnet werden können. All dies ist Grundvoraussetzung dafür, dass die Wähler am Ende einer Legislaturperiode ihr Urteil sprechen können.
Österreichs Sozialpartnerschaft funktioniert nach anderen Prinzipien. Wer hier nicht mit am Tisch sitzt, hat schlechte Karten, wenn es um die Berücksichtigung seiner Interessen geht. Und es lassen sich nicht alle Interessen nach ständischem Muster organisieren, dafür ist die Welt - sogar die kleine und überschaubare in Österreich - viel zu kompliziert geworden.
Dieser Realität müssen sich auch die Sozialpartner stellen. Und dabei dafür Sorge tragen, dass sie ihre Interessen nicht auf Kosten Dritter durchsetzen. Ist dies der Fall, muss das Parlament einschreiten. Außer natürlich, eine Mehrheit versteht sich lediglich als verlängerter Arm vorgelagerter Institutionen und nicht als eigentlicher Souverän der Politik.