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Irres Rennen um den Auto-Thron

Von Hermann Sileitsch

Wirtschaft
VW-Chef Winterkorn mit Up! in der E-Variante. VW könnte für den Cityflitzer die Marke Lupo wiederbeleben. Foto: reu

VW will in China und Nordamerika rascher wachsen. | Großteil neuer Investitionen in die deutschen Standorte. | Wolfsburg/Wien. Das Rennen der Automobilhersteller um die weltweite Nummer eins wird immer spannender. Während die führenden Konzerne Toyota (Japan) und General Motors (USA) durch die Krise heftig gebeutelt wurden, schwenkt Volkswagen (Deutschland) auf die Überholspur. Die Wolfsburger werfen enorm viel Geld in die Schlacht und investieren innerhalb von fünf Jahren 51,6 Milliarden Euro. | Es wird einen Dreikampf geben


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Zuletzt hatte der deutsche Autokonzern drei Werke in den Wachstumsmärkten Russland und Indien sowie in den USA hochgezogen. Der Trend der Autoindustrie ist, dass sich die Produktionsstätten mit den Verkaufsmärkten mitbewegen - also in Richtung Osten. Jetzt sind bei VW allerdings die Fabriken im Inland an der Reihe; deutlich mehr als die Hälfte wird in Deutschland investiert.

10,3 Milliarden Euro werden auf Entwicklungskosten entfallen. "Der Volkswagen-Konzern wird weiter in umweltfreundliche Technologien, effiziente Antriebe und neue Modelle investieren", sagte Vorstandschef Martin Winterkorn am Freitag. VW wolle der "zukunftsfähigste Automobilkonzern der Welt" werden.

Die Wolfsburger treten bei ihrer "Strategie 2018" ordentlich aufs Gaspedal: Bis zu diesem Datum wollen sie mehr als 10 Millionen Fahrzeuge verkaufen und Toyota sowie General Motors überholen. 2009 lagen die VW-Absatzzahlen mit 6,3 Millionen noch deutlich zurück. Die größten Zuwächse erwarten sich die Deutschen im Boom-Markt China. Über die genannten Summen hinaus wollen die dortigen Gemeinschaftsunternehmen zwischen 2011 und 2015 insgesamt 10,6 Milliarden Euro investieren - und das allein aus dem Cash-Flow der chinesischen Joint-Ventures.

Aber auch in Nordamerika, wo VW im Vergleich zu seinen Konkurrenten bisher schwächelte, wollen die Wolfsburger punkten.

Schon jetzt liege Volkswagen im Ranking der innovationsstärksten Hersteller in Führung, sagt der deutsche Automobil-Experte Stefan Bratzel. Die Deutschen haben eine Kastenbauweise entwickelt, bei der sie viele verschiedene Automodelle auf eine gemeinsame Plattform stellen können. Das ermöglicht eine effiziente Entwicklung und Produktion.

Da nun die Übernahmeschlacht mit Porsche beigelegt ist, kann sich VW wieder voll auf Expansion konzentrieren. Porsche wollte 2008 die Mehrheit an Volkswagen übernehmen. Der viel kleinere Sportwagenhersteller überhob sich aber an den Milliardenkrediten. Nach der gescheiterten Übernahme wird der Sportwagenbauer nun selbst 2011 als zehnte Marke in den VW-Konzern integriert.

Einiges zu tun bei Seat

"Das hat Management-Kapazitäten gebunden und auch die Integration wird Kraft kosten", sagt Bratzel. Weitere Baustellen sieht er beim japanischen Autobauer Suzuki, wo VW mit einer Überkreuz-Beteiligung zu 20 Prozent an Bord ist. VW müsse es gelingen, Suzuki und seinen eigenen Kleinwagen Up! in eine schlüssige Billigstrategie einzugliedern. Und schließlich gibt es auch bei der Konzernmarke Seat einiges zu tun.

Ungeachtet dieser Fülle an Herausforderungen hat der mächtige VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch jüngst zum wiederholten Mal sein Interesse an Alfa Romeo bekundet: Die Marke gehört Fiat - und dessen Boss Sergio Marchionne hat keine Ambition, zu verkaufen: "Die Allianz mit Chrysler gibt Alfa eine starke technische Basis für Weiterentwicklung. Es sei denn, Volkswagen bietet uns 100 Milliarden - das ist natürlich ein Scherz."

Volkswagen müsse aufpassen, sich nicht zu überfordern, warnt Bratzel: "Bei aller Wertschätzung für Piëch: Jetzt auch noch Alfa Romeo zu wollen; ich weiß nicht, ob das nicht ein bisschen viel wäre."

Hyundai/Kia holt auf

Das Match um die Führungsrolle entscheidet sich wohl zwischen Toyota, GM und Volkswagen, aber auch dahinter tut sich einiges: "Die Großen rücken näher zusammen", analysiert Bratzel. Besonders dynamisch holt Hyundai/Kia auf. Die Südkoreaner wollen ihren Absatz heuer deutlich über die Fünf-Millionen-Marke bringen und liegen bei den Margen bereits mit an der Spitze.

Ford kam als einziger US-Autobauer ohne Staatshilfe aus und hat seine Strategie neu ausgerichtet: Da die Vorlieben der US-Amerikaner stärker in Richtung kleinerer und spritsparender Autos gehen und sich jenen der Europäer annähern, will das Unternehmen nach dem "One Ford"-Konzept künftig je ein Auto-Modell weltweit anbieten - mit lokalen Varianten.

Der französisch-japanische Autobauer Renault/Nissan wiederum punktet mit gut aufgestellter Kleinwagenpalette und profitierte besonders von den Abwrackprämien. Die Renault-Billigmarke Dacia zählt zu größten Gewinnern des Automarktes und verkauft sich auch in Schwellenländern bestens.