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Irritationen allseits

Von Simon Rosner

Politik

Nicht nur die SPÖ, auch die ÖVP könnte sich verpokert haben. Die schwarz-blaue Koalition erzeugt Nachwehen.


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Das Wochenende nach Schwarz-Blau in Niederösterreich in aller Kürze: Unverständnis über den CoronaRache-Fonds und das Impf-Werbeverbot; Verwunderung über die Wirtshaus-Prämie; die SPÖ wirft der ÖVP ein abgekartetes Spiel vor; die ÖVP wirft zurück; Othmar Karas bedauert das Abkommen; eine Ex-Ministerin (Andrea Kdolsky) tritt aus der ÖVP aus.

Der vergangene Freitag, als die ÖVP-Landeschefin und ihr neuer FPÖ-Vize - einerseits mit Grabesmiene (Johanna Mikl-Leitner), andererseits mit Triumphgesten (Udo Landbauer) - vor die Presse traten, hat auf mehreren Ebenen Irritationen ausgelöst, sogar in der Bundesregierung. Die ÖVP-Regierungsmitglieder Karoline Edtstadler und Gerhard Karner zeigten sich skeptisch, dass Refundierungen von Strafen und Auszahlungen für Corona-Schäden aller Art rechtlich überhaupt möglich seien.

Dass direkt Beteiligte von den Geschehnissen der vergangenen Woche zudem selbst irritiert zu sein scheinen, ist wiederum eine Irritation für sich. Was ist da passiert - und wie? Im dichten Nebel der gegenseitigen Vorwürfe von ÖVP und SPÖ schimmert durch, dass aufgrund komplexer Verstrickungen die Dinge aus dem Ruder gelaufen sein könnten.

Erst hat die SPÖ unter neuer Führung hoch gepokert. Vielleicht zu hoch? Dann hat auch die ÖVP mit dem Verhandlungsstopp den Einsatz erhöht. Wider Erwarten zeigten die Freiheitlichen auf einmal doch Interesse, wobei sie mehr an Signal- als an Sachpolitik interessiert waren. 30 Millionen für den Corona-Fonds sind auch deutlich günstiger, als es das rote Paket gewesen wäre. Dann drängte die Zeit, und ohne Einigung vor dem Wochenende hätten auch für Mikl-Leitner selbst bedrohliche Dynamiken einsetzen können. Versuche, die ÖVP doch wieder an den Verhandlungstisch mit der SPÖ zu bringen, gingen ins Leere, zumal die FPÖ eine weitere Runde mit der SPÖ gewiss nicht akzeptiert hätte. Am Ende könnten sich Rot und Schwarz verpokert haben - mit den Blauen als großen Gewinnern.

Corona-Nachwehen bei der ÖVP

Das Corona-Kapitel, das im Arbeitsübereinkommen gleich am Beginn steht, könnte für die ÖVP auch innerparteilich Gesprächsbedarf bedeuten. Zwar ist die Impfpflicht auch bei Wählerinnen und Wählern der Volkspartei ein bis heute schwieriges Thema, doch das Arbeitsprogramm mit der FPÖ geht zumindest stilistisch weit darüber hinaus. Die meisten Maßnahmen der Bundesregierung in der Pandemiebekämpfung wurden von der eigenen Wählerschaft großteils unterstützt, wie Daten des Austria Corona Panel der Uni Wien zeigen.

In der Gemeinde Aschbach hat das auch zum Parteiaustritt der ehemaligen Vizebürgermeisterin Cornelia Sturm-Wagner geführt, die auch Leiterin des Schulverbundes ist. In ihrem - übrigens gegenderten - Brief an die Partei beschwert sie sich, dass "Impfgegner und Homeschooling-Eltern gefördert werden, die demonstrierend an Schulen vorbeizogen, während wir in den Schulen als Basisstationen der Pandemie-Prävention in Niederösterreich funktionierten". Sie schreibt von "Verhöhnung von Schulleitungen, Gesundheitspersonal sowie Erkrankten und deren Angehörigen".

Andere ÖVP-Landesorganisationen äußerten sich bisher nicht zu Niederösterreich - mit einer Ausnahme: Steiermarks Christopher Drexler sang in seiner "Steiermarkrede" anlässlich des Landesfeiertags eine Hymne auf die schwarz-rote Koalition: "Wir haben keine nüchterne Zweckehe, wir haben eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, weil ich an die Gestaltungskraft bürgerlich-sozialdemokratischer Koalitionen glaube." Und sein Nachsatz nach kurzer rhetorischer Pause: "Hier und darüber hinaus."

Drexler kontert (indirekt) Nehammer

Die Rede Drexlers war auch aus einem anderen Aspekt heraus bemerkenswert, da sie gänzlich andere Signale setzte als vor kurzem Parteichef Karl Nehammer. Der Kanzler sprach nur am Ende über den Klimawandel und wurde zudem nur in einem Punkt konkret: dass er einem Aus für Verbrenner nicht zustimmen werde. "Österreich ist das Autoland schlechthin."

Drexler dagegen stellte den Klimawandel an den Anfang seiner Rede, obwohl in der Steiermark die Automobilindustrie einen Gesamtanteil von 24 Prozent am Bruttoregionalprodukt erwirtschaftet, sie also innerhalb Österreichs das Autobundesland schlechthin ist. Der Landeshauptmann war in seinen Ausführungen aber sehr klar: Man müsse sich der Tatsache bewusst sein, sagte er, dass es sich beim Klimaschutz um die Herausforderung unserer Epoche und unserer Generation handle.