Eklat um rechtsextremen Wahlbeisitzer in israelisch-arabischer Stadt. | Umm el-Fam. Im Straßengewirr dieser Stadt lässt sich die Komplexität des israelisch-palästinensischen Konflikts verstehen. Die Hauptstraße mit den viele Cafés, der Teppichmanufaktur, der Kunstgalerie und der Shopping Mall inklusive McDonald´s ist noch einigermaßen übersichtlich. Aber ein Stücken weiter oben, wo sich die Hauptstraße in immer kleinere Verzweigungen auflöst, wird das ganze unübersichtlich.
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Es regnet in Strömen und aus den überfüllten Kanälen ergießt sich das braune Wasser zurück in die Straßen. Steil geht es die schmalen Gassen hinauf, vorbei an kleinen Moscheen und Gemüseläden, vorbei an offen gebauten Häusern mit abgerundeten Fenstern, unzählige Wahlplakate. Einbahnen, die keinen kümmern, zu viele Autos auf zu wenig Raum, einer kommt von rechts, blockiert einen anderen, der will zurückschieben, doch hinten steht bereits ein anderer. Es hupt, es wird gerufen, es stagniert, dann geht es wieder weiter. Mitten drin hat man auf einmal die Orientierung verloren. Umdrehen gibt´s nicht.
Wir befinden uns in Umm el-Fam, der kleinen arabischen Stadt 70 Kilometer nördlich von Tel Aviv. Eine Enklave einer Minderheit, die aus dem Land stammt. Anders als anderswo in Israel endete der langweilige Wahlkampf hier nicht mit einem ereignislosen Wahltag. Am Dienstag kam es in der kleinen Stadt zu einem Skandal. Und das kam so: Die zentrale Wahlkampfbehörde hatte den rechtsextremen Politiker Baruch Marzel zum Vorsitzenden des Wahlkomitees in der Stadt bestimmt, der sich in der Vergangenheit durch seine anti-arabische Haltung ausgezeichnet hatte.
Am Dienstag entschied sich die Polizei dann, Marzel den Zutritt zur Stadt zu verwehren. Dies stelle nämlich eine "ernste Bedrohung für die öffentliche Sicherheit" dar. "Wir hatten extreme Bedenken, was die Sicherheit betrifft", wurde Polizeichef Shimon Koren in der "Jerusalem Post" zitiert.
Marzel, der Vorsitzende der nationalen jüdischen Front bezeichnete dieses Vorgehen als "schwarzen Tag für die Demokratie", und fügte hinzu, dass die Polizei dem Pöbel nachgegeben habe, weil sie es nicht geschafft habe, im arabischen Sektor für Ordnung zu sorgen.
Der Entscheidung der Polizei entsprechend nominierte das zentrale Wahlkomitee - ein politisch nach Parteinstärke besetztes Gremium - den Knesset-Abgeordneten Arye Eldad von der Nationalen Union.
Die polizeiliche Entscheidung, Marzel aus der Stadt zu verbannen, kam trotz intensiver Vorbereitung seitens der Polizei. Polizeichef Koren hatte verstärkte Polizeiaufgebote nach Umm el-Famm gebracht, um die Eingänge zur Stadt zu sichern. Die Polizei erließ am Montag eine Warnung, wonach sie mit "null Toleranz" gegen Krawallmacher vorgehen werde. Dennoch sah die Polizei die Maßnahmen letztlich als unzureichend, um die Sicherheit gewährleisten zu können, weshalb der Besuch des rechtsextremen Politikers verhindert wurde. Bereits zeitig in der Früh hatten sich junge Demonstranten vor der Stadt versammelt, um Marzel am Betreten der Stadt zu hindern. "Wir wollten eine Zeichen gegen Rassismus und Faschismus setzen", sagte ein Demonstrant, "wir wollen in Frieden leben, aber wir werden in Umm el-Fahm keinen rassistischen Provokateur dulden."
Das zentrale Wahlkomitee hat am Montag erklärt, es gäbe keine Handhabe, den Vorsitz durch Marzel zu verhindern. Die Entscheidung erfolgte auch unter Berücksichtigung einer kürzlich ergangenen Entscheidung des israelischen Supreme Court, in der Marzel das Recht zugesprochen wurde, in der arabischen Stadt einen Aufmarsch zu organisieren. Die Polizei sei aufgerufen, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten, hatte das Höchstgericht erklärt.
Marzel hatte sich so wie anderen Vertreter der israelischen Ultrarechten für einen besonders harten Kurs auch gegen die in Israel gebürtigen Araber ausgesprochen (rund ein Fünftel der Bewohner Israels sind arabischer Herkunft). Er befürwortet die Einschränkung der Rechte der Araber.
Rückschritte, Umwege, Blockaden auf der holprigen Straße zum Frieden. Viel leichter ist es auch nicht, den Weg aus Umm el-Fam zu finden. Als irgendwann kurz vor der Dämmerung Nebel einsetzt, versucht ein hilfsbereiter Besitzer einer Eisenwarenhandlung, der ebenso wenig Englisch spricht wie der Besucher Arabisch und Hebräisch, den Weg aus der Stadt auf ein Blatt Papier zu zeichnen. Zwecklos. Da schickt er lieber seinen Sohn im eigenen Auto als Vorhut. Mit eingeschalteter Warnblinkanlage leuchtete er den Weg nach Tel Aviv. Sonst wäre der Besucher jetzt noch immer dort.