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Irving geständig - bloß eine Show?

Von Ina Weber

Politik

Irving-Prozess: Schuldspruch? | Aufzeichnungen Eichmanns hätten Irving belehrt. | Für Staatsanwalt: "Lippenbekenntnis". | Wien. "Ich leugne den Holocaust nicht. Ich zweifle nur an Einzelheiten", sagte David Irving am Montag vor Gericht aus. Der Prozess gegen den Holocaust-Leugner löste schon in der Früh zu Beginn der Verhandlungen einen Medienrummel aus. Jeder einzelne Platz im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts war besetzt.


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Dem 67-jährigen wird vorgeworfen, gegen Paragraf 3g Verbotsgesetz verstoßen zu haben. Er hatte im November 1989 bei Vorträgen in Wien und Leoben unter anderem behauptet, die Pogrome der so genannten Reichskristallnacht wären von als SA-Männer verkleideten Unbekannten verübt worden.

Ausländische Fernsehstationen berichteten live vom Prozess. Irving genoss das große Blitzlichtgewitter. Immer wieder drehte er sich im Kreis und hielt - fleißig werbend - sein Buch "Hitlers War" in die Höhe.

"Das würde ich nicht mehr so schreiben."

Als es dann wirklich zur Sache ging, ließ das Medieninteresse wieder nach. Der Saal blieb zwar voll, aber die zweistündige Einvernahme von Irving verlief ruhig - und ohne Zwischenrufe. Über das Ausbleiben bekannter Gesinnungsgenossen von Irving zeigten sich die anwesenden Polizisten verwundert. Einzig ein junger Mann mit Glatze und Schnürstiefeln saß ruhig und unauffällig in der letzten Reihe. "Ich würde es begrüßen, wenn Hochdeutsch geredet wird. Ich habe Probleme mit dem Wienerischen", so Irving zu Beginn. Er bekenne sich schuldig im Sinne der Anklage, wie es sein Verteidiger Elmar Kresbach bereits zuvor angekündigt hatte. Zunächst war Staatsanwalt Michael Klackl in seinem Eröffnungsplädoyer auf die Person Irvings eingegangen: Dieser behaupte seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, er sei ein Historiker: "Er ist alles andere als ein Historiker, er ist ein begehrlicher Geschichtsfälscher." Irving verfüge über ein Geschichtsbild, "in dem es keine Gaskammern gibt". Zudem gehe es hier um einen "strafbaren und gefährlichen Missbrauch der Meinungsfreiheit", sagte Klackl im Hinblick auf die nach der Verhaftung Irvings entflammte Diskussion über das Verbotsgesetz. Es gehe "um den Schutz der Meinungsfreiheit gegen die menschenverachtende Ideologie, der Irving das Wort redet". Auch habe er seinerzeit gewusst, dass er gegen österreichisches Recht verstoße, so der Staatsanwalt.

Irving fühlt sich durch Staatsanwalt beleidigt

Für Irvings Verteidiger Kresbach ließe sich nicht nur darüber streiten. Die Rechtslage sei in anderen Ländern zwar ähnlich, aber eben nicht genau so wie in Österreich. Der Engländer habe sich als historischer Autodidakt zudem einen Namen machen müssen, "einer der natürlich, um bekannt zu werden, auch provozieren musste", erklärte der Verteidiger. Richter Peter Liebtreu beruhigte das keineswegs. Er konfrontierte Irving im Detail mit seinen damaligen Angaben, etwa der Aussage, Hitler habe seine Hand "ausgestreckt, um die Juden zu schützen". "Den Satz würde ich heute nicht mehr so schreiben", hielt Irving fest, sondern: Hitler habe "immer wieder seine Hand ausgestreckt, um einzuschreiten". Es gebe dazu "frappierende Dokumente, auf die von den Historikern nicht eingegangen wird".

Ähnlich reagierte der Angeklagte auf die weiteren Vorhalte. Als Grund für seinen Sinneswandel gab Irving die persönlichen Aufzeichnungen von Adolf Eichmann, dem Organisator der Massentransporte der Juden, an. "Eichmann schreibt, wie er eine Gaskammer-Anlage besichtigt hat. Das war für mich der erste Beweis, dass es Gaskammern gegeben hat."

Das Geständnis bewertete der Staatsanwalt in seinem Schlussplädoyer als "bloß ein Lippenbekenntnis aus prozesstaktischen Gründen". Irving habe sich "als reumütiger Sünder in Szene gesetzt", während er in Wahrheit seit 30 Jahren an seinem Geschichtsbild festhalte und dieses "mit missionarischem Eifer" verbreite, so der Ankläger.

Irving fühlte sich dadurch "beleidigt", wie er in seinem Schlusswort sagte. Er sei kein Geschichtsfälscher. "Ich bedaure es, wenn ich einige Leute beleidigt haben sollte." Sein Verteidiger wies auf das Geständnis hin: "Mehr kann man von einem Menschen nicht verlangen".