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Analyse: Saudi-Arabien steht vor einer Grundsatzentscheidung. Das Land muss sich vom Islamischen Staat distanzieren.
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Maskat/Istanbul. Es klang wie ein Weckruf, als der schwerkranke saudische König Salman (81) nach den verheerenden Anschlägen in Beirut und Paris am vergangenen Wochenende forderte, man müsse den Kampf gegen den Terrorismus verdoppeln. Die sich selbst als "Islamischer Staat" (IS) bezeichnende Terrormiliz, im Arabischen Daesh genannt (Daesh hat übrigens im Arabischen eine durchaus negative Konnotation), hängt wie ein Damoklesschwert über die Saudis und dies wird ihnen immer mehr bewusst.
Nimmt man als Beispiel den Syrienkonflikt, dann waren es zumindest anfänglich vor allem reiche saudische Geschäftsleute und religiöse Stiftungen, die von Anfang an um jeden Preis einen Sturz von Langzeitmachthaber Bashar al-Assad wollten und daher dschihadistische Gruppen unterstützten. Es flossen Milliarden an Geldern, die - wie man nun knapp fünf Jahre nach Beginn der Syrienkrise weiß - zu einem Gutteil in die Hände der Terroristen gelangt sind. Einher mit der Unterstützung der Assad-Gegner, sorgte Riad weltweit für die rapide Ausbreitung und Forcierung der wahabitischen Ausrichtung des Islam, deren Grundgedanken sich in vier wesentlichen Punkten mit jenen des Islamischen Staates (IS) deckt: Intoleranz gegenüber Nicht-Muslimen und Schiiten, eine rigorose Auslegung der Scharia mit einer zweifelhaften Rechtssprechung, die Radikalisierung der Jugend und die Begeisterung für diese extreme Art des Islam. So ist Saudi-Arabien neben dem IS das einzige Land der Welt, wo Menschen durch Enthauptung getötet werden. 2015 übrigens schon knapp 150, während es im ganzen Jahr 2014 87 waren.
Der saudische König Salman hatte wohl auch anderes im Sinn, als er meinte, es müsse dem Terrorismus mit aller Schärfe begegnet werden: Riad hat in der Region längst nicht mehr die Macht, die es noch vor fünf Jahren hatte. Längst ist der Iran durch den Atom-Deal, durch die schrittweise Rehabilitierung auf dem internationalen Parkett und durch den schiitischen Halbmond von Beirut über Damaskus und Bagdad bis Bahrain, der schiitisch-iranisch beeinflusst ist, zur neben Saudi-Arabien mächtigsten Regionalmacht aufgestiegen. All diese Entwicklungen ereignen sich sehr zum Missfallen der Saudis, die sich vom Schlüsselmediator Oman den Vorwurf gefallen lassen mussten, zu wenig an die Sicherheit der Menschen in der Region und zu viel an die eigenen Machtinteressen - Stichwort hunderte tote Zivilisten bei den Angriffen der Saudis auf die vom Iran unterstützten Houthi-Rebellen - zu denken.
Das saudisch-amerikanische Verhältnis hat unter all dem ebenfalls gelitten, denn Riad hat den Amerikanern nicht verziehen, dass sie den Persern die Hand gereicht und Assad nicht stärker bekämpft haben. Die neuen Terrorakte und das tägliche Blutbad auf der arabischen Halbinsel direkt an der saudischen Grenze zum Jemen zwangen Salman zu Sonderberatungen mit seinen engsten Strategen.
Die Grundfrage lautete: Wie reagiert man auf die Gotteskrieger und den Islamischen Staat? Riad muss sich schnell entscheiden und es wird eine grundlegende Richtungsentscheidung.
Behält man den jetzigen Kurs bei, dann dauert es nicht mehr lange und die Saudis katapultieren sich mit ihrer direkten oder indirekten Hilfe an den Islamischen Staat selbst in die Isolation. Andererseits nutzt der Iran die saudische Führungsschwäche, um sich in der Region als "Stabilisator" zu behaupten.
Das Match um die Vorherrschaft in der Region hat auch fast verhindert, dass Riad und Teheran bei der Syrien-Konferenz in Wien an einem Tisch saßen.
Letztlich war es der Sultan vom Oman, Qabus, der es geschafft hatte, Amerikaner und Saudis von der Notwendigkeit einer Teilnahme des Iran zu überzeugen. Ein Schreiduell zwischen den beiden Außenministern Mohammad Javad Zarif und Adel al-Jubeir konnte man in Wien trotzdem nicht verhindern. Zarif warnte seinen Amtskollegen, Riad solle die Geduld Teherans nicht auf die Probe stellen - die Stimmung war also mehr als frostig. Daher schaltete sich Qabus persönlich in den Konflikt ein, telefonierte mit den Führungszentralen im Iran und in Saudi-Arabien und mahnte im einen gemeinsamen Kurs ein - beide Seiten sollen auch an das Wohl der ganzen Region denken, mahnte Qabus.
Teheran hat Qabus iranische Bereitschaft zum Kampf gegen den Terror zugesagt. Präsident Hassan Rohani hat dafür extra den Segen des Obersten Geistlichen Führers, Ayatollah Seyed Ali Khamenei, erbeten und offenbar auch erhalten. Riad ist bislang - zumindest eine öffentliche - Antwort noch schuldig geblieben, doch Salman ist zumindest wachgerüttelt.