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Nach Anschlägen steht fest: Gruppe aus dem Sinai kooperiert mit dem Islamischen Staat.
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Kairo. Bestimmt war es ein Racheakt, als im Morgengrauen am Donnerstag ein Boot der ägyptischen Marine an der Mittelmeerküste angegriffen wurde. Das Schiff fing Feuer, Panik brach aus. Auch zwei Tage nach dem Angriff fehlt von acht Matrosen noch jede Spur. Der Vorfall ereignete sich 70 Kilometer vor der nordägyptischen Hafenstadt Damietta. Nur Stunden später wurden auf dem Sinai fünf Polizisten getötet, und in Kairo explodierte ein Sprengsatz in einer Metro-Station, der 16 Passagiere verletzte. Das alles sieht nicht nach einem Zufall aus, sondern nach einer koordinierten Aktion. Ägyptens Präsident, Ex-Feldmarschall Abdel Fattah al-Sisi, hat vor kurzem einen dreimonatigen Ausnahmezustand über den Norden und die Mitte des Sinai verhängt, um den Terror dort zu bekämpfen, wie er sagt. Seitdem sind unzählige Verdächtige verhaftet worden. Die terroristischen Aktivitäten gehen jedoch scheinbar unbeirrt weiter. Der Angriff auf das Marineschiff vor Damietta auf dem Festland eröffnet sogar noch eine zweite Front. Bisher konzentrierten sich die Anschläge vornehmlich auf die Halbinsel Sinai. Al-Sisi machte stets die palästinensische Hamas dafür verantwortlich. Die ägyptische Armee ist gerade dabei, eine 14 Kilometer lange Pufferzone entlang des Gazastreifens zu errichten und sprengte alle Häuser, die näher als 500 Meter zur Grenze stehen.
Kämpfen über 1000 Ägypterfür IS in Syrien?
Hisham Barakat hatte vorausgesehen, was zehn Tage später eingetreten ist. Der Generalstaatsanwalt sagte bereits in den ersten Novembertagen ein Eindringen von Mitgliedern des IS (Islamischer Staat) aus Syrien und dem Irak nach Ägypten voraus - und eine Assoziierung mit den Gruppen auf dem Sinai. Der Geheimdienst habe eine terroristische Zelle in Damietta ausgemacht, deren Mitglieder nach Syrien gereist seien und dort militärische, physische und ideologische Ausbildung erhielten. Sie kehren laut Barakat jetzt nach Ägypten zurück. Fünf Mitglieder dieser Zelle seien verhaftet worden. "Nach ihrer Rückkehr sollten sie eine Serie von Anschlägen gegen Polizisten und Soldaten verüben und auch Richter und staatliche Institutionen ins Visier nehmen", so Barakat. "Die Befehle erhalten sie direkt vom IS." Der Angriff auf das Marineschiff jetzt bestätigt den Generalstaatsanwalt nur zu genau.
Seit dem Sturz des Präsidenten Mohammed Mursi durch die Militärs im Juli 2013 nehmen die Terrorattacken in Ägypten zu. Über 500 Sicherheitskräfte sind seitdem ums Leben gekommen. Al-Sisi und die Regierung machten stets die Muslimbrüder und deren Verbündete, die palästinensische Hamas, dafür verantwortlich. Ursache und Wirkung des Terrors in Ägypten sind allerdings umstritten. Während die einen die Muslimbrüder und deren weltweite Zellen generell für den Terror in der Region verantwortlich machen, meinen andere, dass der Putsch gegen den ersten frei gewählten islamistischen Präsidenten dazu führte, dass seine Anhänger sich radikalisierten und den Terrorgruppen anschlossen.
Wie die ägyptische Tageszeitung "Al Ahram" herausgefunden haben will, kämpfen mittlerweile über 1000 Ägypter auf der Seite des IS in Syrien und dem Irak. Es sei davon auszugehen, dass einige mit konkreten Aufträgen zurückkämen, beispielsweise um Zellen in Kairo und Alexandria aufzubauen. Die Ausrufung des Ausnahmezustands auf dem Sinai hatte bereits eine direkte Konsequenz. IS rief dazu auf, den Dschihad auch nach Ägypten auszuweiten und gegen die Armee auf dem Sinai vorzugehen. Daraufhin verkündete die dort operierende größte Gruppe aus dem Sinai ihre Unterwerfung unter IS.
"Die Unterstützer Jerusalems", wie Ansar Beit al-Maqdis übersetzt heißt, wurde im Februar 2011 auf dem Sinai gegründet, als am Tahrir-Platz in Kairo die Revolution gegen den damaligen Präsidenten Husni Mubarak tobte. Sie zählt etwa 1000 Kämpfer, zu denen Sinai-Beduinen, Ägypter und auch Ausländer gehören. Anfänglich richteten sich die Anschläge der Organisation hauptsächlich gegen Einrichtungen in Israel und gegen die Erdgasleitung aus Ägypten nach Israel. Nach der Absetzung Mursis verlagerten sich ihre Aktivitäten auch ins Niltal, und die Anschläge richteten sich nun vorwiegend gegen Einrichtungen von Polizei, Geheimdienst und Armee. Im September 2013 versuchte die Terrorgruppe, den Innenminister mit einer Autobombe in Kairo zu töten.