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IS-Terroristen sind schlimmste Feinde des Islam

Von Clemens M. Hutter

Gastkommentare
Clemens M. Hutter war Ressortchef Ausland bei den "Salzburger Nachrichten".

Der 1300 Jahre alte Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten hat einen neuen blutigen Höhepunkt erreicht.|Die IS-"Gotteskrieger" im Irak verstoßen dabei krass gegen die im Koran geoffenbarten Vorschriften Allahs.


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"Eine terroristische Mörderbande" nannte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier ohne diplomatische Umschweife den "Islamischen Staat" (IS) im Irak. Großmufti Abdel Asis, oberster Rechtsgelehrter des erzkonservativen Königreichs Saudi-Arabien, donnerte noch lauter: Die Vertreter von "Radikalismus und Terrorismus haben nichts mit dem Islam zu tun, sie sind die Feinde Nummer eins des Islam".

Der sunnitische "Islamische Staat" eroberte in einem Blitzkrieg den Nordirak, das Siedlungsgebiet der Sunniten. Diese schlossen sich den IS-Kämpfern begeistert an, weil dies eine "Revolution gegen das Unrecht" der vergangenen elf Jahre sei: die systematische Unterdrückung der irakischen Sunniten durch die schiitische Regierung. Der 1300 Jahre alte Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten hat damit wieder einen blutigen Höhepunkt erreicht: Muslime bekriegen Muslime, obwohl Sure 4, Vers 92 des Koran vorschreibt, dass "ein Gläubiger keinen Gläubigen töten darf". So das geoffenbarte Gebot Allahs. Doch für Schiiten sind Sunniten "Ungläubige" - und umgekehrt.

Bis jetzt massakrierten die IS-"Gotteskrieger" zahllose Männer, Frauen und Kinder, weil sie sich nicht sofort bedingungslos der rabiat-radikalen IS-Auslegung des Koran unterwarfen. Das verstößt krass gegen den Koran (2, 257): "Es gibt keinen Zwang in der Religion." Noch widerwärtiger sind öffentliche Exekutionen vor laufenden Kameras und Videos davon im Internet. Im Koran steht (5, 32): "Wenn jemand einen Menschen tötet, ohne dass dieser einen Mord begangen hätte, ist es so, als hätte er die ganze Menschheit getötet." Mit diesen Gräueltaten sollen Schrecken verbreitet werden und Widerstand erst gar nicht aufkommen.

Der IS-Terror trieb Sunniten, Christen und Jesiden massenhaft in die Flucht. Auch das verstößt gegen den Koran (60, 8): "Allah verbietet euch nicht, gegen jene, die nicht in Sachen des Glaubens gegen euch gekämpft oder euch aus euren Häusern vertrieben haben, gütig und gerecht zu sein, denn Allah liebt die gerecht Handelnden." Immerhin rühmt der Koran Allah dutzende Male als vorbildlich "barmherzig" und "verzeihend". Damit stößt man wieder auf ein Grundproblem des Islam: Es gibt keine Höchstinstanz, die für alle Muslime verbindliche Regeln erlassen kann.

Dem Rücktritt des schiitischen Regierungschefs Nuri al-Maliki im Irak folgte ein Knalleffekt: Die meisten sunnitischen Stammesführer im Nordirak brachen mit dem "Islamischen Staat", den sie anfangs als Befreier von der schiitischen Herrschaft in Bagdad begrüßt hatten (sie hatten auch irakische Truppen mit Erfolg zur Desertion und zur Preisgabe aller ihrer Waffen bewogen). Jetzt prangern sie das IS-Terrorregime an. Damit sind die IS-Kämpfer längst nicht geschlagen, wohl aber demaskiert: Die Religion verbrämt lediglich den politischen und wirtschaftlichen Machtanspruch, den die eroberten Zentren der Erdölförderung absichern sollen.