Zum Hauptinhalt springen

IS und Terror bekämpfen: entweder ganz oder gar nicht

Von Maximilian Lakitsch

Gastkommentare
Maximilian Lakitsch ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Österreichischen Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung an der Burg Schlaining. Er forscht zu Peacebuilding, Konflikttheorie und dem Nahen Osten.

Der Irak kann ein trauriges Lied über halbe Lösungen singen. Es ist höchste Zeit für eine nachhaltige Strategie.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die IS-Terrormiliz und ihre Gräueltaten in Syrien und im Irak dominieren die Berichterstattung seit mittlerweile vier Monaten: Die gezielt verbreitete Terrorpropaganda hat weltweit bereits eine so breite Masse emotional gegen die Dschihadisten aufgebracht, dass kaum mehr sachlich über angemessene Problemlösungsstrategien diskutiert werden kann. Und über halbe Lösungen kann der Irak ein trauriges Lied singen.

1991 verzichtete die US-geführte Koalition auf die Entmachtung Saddam Husseins im Anschluss an die Zerstörung der irakischen Armee und ihre Vertreibung aus Kuwait. Als die irakischen Kurden und Schiiten dieses Vakuum zur Rebellion nutzten, schlug Saddam Hussein mit chemischen Waffen brutal zurück. Ab da stimmten die USA und Europa das Mantra der irakischen Massenvernichtungswaffen an. Und so hatten Millionen von Irakern im Laufe des folgenden Jahrzehnts nicht mehr nur unter ihrem Diktator zu leiden, sondern auch unter der Unschlüssigkeit und Kurzsichtigkeit der internationalen Staatengemeinschaft in Sachen Konfliktlösungsmaßnahmen: Wirtschaftssanktionen und monatliche Bombenabwürfe durch Briten und Amerikaner brachten noch mehr Armut und Hunger.

Nachdem die USA 2003 den Irak besetzt und selbstsicher Tabula rasa in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht gemacht hatten, schlitterte das Land in eine noch tiefere Katastrophe, in der Abu Bakr al-Baghdadis "Islamischer Staat" (IS) gedeihen konnte. Waffenlieferungen an Milizen gegenwärtigen Vertrauens im Irak sowie an eine de facto nicht mehr existente "Free Syrian Army" warten nur geradezu darauf, sich zu neuen Katastrophen auszuwachsen.

Was also tun?

1. Die irakische Armee muss der primäre Partner jeder Maßnahme sein. Sie ist prinzipiell gut trainiert und zehnmal so groß wie die IS-Miliz. Endet die Diskriminierung der Sunniten seitens der irakischen Regierung, so wird die Armee ihrer Aufgabe wieder nachkommen. Sollte das nicht geschehen, muss eine vom UN-Sicherheitsrat legitimierte Intervention unter Beteiligung des Iran den Kampf gegen die IS-Terroristen aufnehmen.

2. Nach erfolgreicher Intervention müssen zivile und zivilgesellschaftliche Friedensmaßnahmen Staat und Gesellschaft im Sinne der gesamten Bevölkerung aufbauen. Nur so kann verhindert werden, dass kleine dschihadistische Gruppen das Vakuum auffüllen, das durch die IS-Zerschlagung entstehen würde. Diese Phase ist jene, die meistens aufgrund mangelnden Einsatzes der internationalen Staatengemeinschaft scheitert - immerhin wurde die sichtbare Gefahr bereits beseitigt.

3. Die Grenzen des Irak sind in jedem Fall beizubehalten. Zwar sind diese ein koloniales Erbe, doch sie haben zumindest keine Massenumsiedlungen nach ethnischer und religiöser Zuordnung erzwungen. Dass nationalistische Neuordnungen mehr Konflikte schaffen als lösen, zeigt sich etwa in Bosnien oder im Kosovo.

4. In Syrien ist Bashar al-Assad ein Problem, dem man sich entschlossen stellen muss; nicht nur, um den Konflikt nicht wie im Irak über mehr als zwei Jahrzehnte mitzuschleppen, sondern weil Syrien ein Teil des IS-Problems ist. Und das weiß auch ein selbstsicherer Assad.