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Elisapie Isaac war verloren. Aus den Inuit-Gebieten kam sie nach Montréal. Getrennt vom Land ihrer Ahnen, suchte sie ihre Identität.
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Bei den Olympischen Spielen in Vancouver wird Elisapie Isaac die französischsprachige Provinz Québec repräsentieren. Allerdings nicht als Sportlerin, sondern als Sängerin. Denn sie tritt am "Tag Québecs" auf, an dem die "Nation in einem vereinten Kanada" - so der offizielle Titel der Region seit 2006 - die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit nutzt, um ihre Vorzüge zu präsentieren. Doch ganz vorbehaltlos kann Isaac nicht für ein Gebiet oder ein Volk stehen.
Eigentlich ist Isaac eine Inuit, also eine Angehörige jenes Volkes, das Jahrtausende im unwirtlichen und kalten Gebiet rund um Nordkanada und Grönland überlebte. Großgezogen wurde sie von einem Inuit-Paar, das sie gleich bei ihrer Geburt adoptierte. Das Licht der Welt erblickte Isaac in der Siedlung Salluit, im von den Inuit selbstverwalteten Gebiet Nunavik. Ihr leiblicher Vater war aus Neufundland, ihre leibliche Mutter eine Inuit, zu denen sie zeit ihres Lebens eine enge Beziehung unterhielt. "Bei uns ist das ganz normal", erklärte Isaac einmal. Adoption sei eine freundschaftliche Geste einem Paar gegenüber, das keine Kinder haben kann.
Nunavik ist der nördlichste Teil von Québec und hat etwa 11.000 Einwohner. Der Name kommt aus dem Inuktitut, der Sprache der Inuit, und bedeutet "Land, in dem es sich leben lässt". Doch viele Junge teilen diese Einstellung ihrer Ahnen heute nicht mehr. Die Zeiten ändern sich und so mancher verlässt seine Eltern, um im Süden des Landes zu leben - unter ihnen Elisapie Isaac. Sie zog 1999 nach Montréal, der größten Stadt Québecs. Dort wollte sie Journalistin werden.
Doch "verloren im Chaos von Montréal, sind die Geister der Ahnen zu mir gekommen", erzählt Isaac, deren Adoptiveltern und deren leiblicher Vater bereits gestorben sind. Bemüht, das Verständnis zwischen Weißen und Inuit zu fördern, drehte sie einen Kurzfilm über das Leben in ihrer Heimatregion. Während des Studiums sei sie oft mit den üblichen Vorurteilen über ihr Volk konfrontiert gewesen, sagt Isaac: Misere, Leid, hohe Selbstmordrate. Die Weißen brächten sehr wenig Verständnis für die Inuit auf, während dies umgekehrt nicht so sei. Es ist ein Film über die Frage der Identität der Inuit und eine Suche Isaacs nach ihrer eigenen Identität, nach ihrer Übersiedlung und dem Tod ihrer Eltern.
"Seit ihr nicht mehr seid, habe ich Angst zu entschwinden, deshalb bin ich zurückgekommen", sagt Isaac in dem Film. Verloren in der Welt jenseits von Nunavik, beklagt sie den Sittenwandel der Inuit, der einsetzte, nachdem sie von den Weißen zur Sesshaftigkeit angehalten wurden.
Früher habe sich das Leben nach der Sonne, den Wind und der Kälte gerichtet. "Vielleicht war dein Leben schwerer, Großvater, bevor die Weißen gekommen sind. Aber es war dein Leben", bedauert Isaac.
Heute ist Elisapie Isaac Sängerin, hat 2009 ihr erstes Soloalbum, "There will be Stars" herausgebracht und lebt ihre Persönlichkeit in ihrer Musik aus: einer Mischung aus Inuit-Folklore und Pop.