Die Ausbreitung der Corona-Fälle durch einen erkrankten Barkeeper im Tiroler Skiort bringt die Landesregierung unter Druck.
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Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) weist weiterhin jede Kritik am Vorgehen der Behörden zurück, nachdem vom Skiort Ischgl im Paznauntal durch einen bereits erkrankten Barkeeper offenbar Hunderte Gäste in Skandinavien angesteckt worden sind. Man habe in der jeweiligen Situation das "Menschenmöglichste" getan, betonte Platter am Dienstag bei einer Videopressekonferenz. Zudem sei der Virus ja nicht in Ischgl entstanden, fügte er hinzu.
Auch bei der Ausreise von Gästen am vergangenen Freitag, die teilweise offenbar chaotisch abgelaufen sein dürfte, habe man das Möglichste getan, um eine geordnete Abreise zu gewährleisten, meinte der Landeschef. Es seien immerhin tausende Touristen im Paznauntal gewesen.
"Entscheidungen in Absprache mit den Experten
Die Einsatzleitung des Landes sei mittlerweile seit 22 Tagen aktiv. "Jede Frage und Maßnahme wurde dort diskutiert und entschieden", sagte Platter. Man habe nach menschlichem Ermessen zum jeweiligen Zeitpunkt jene Maßnahmen gesetzt, bei denen man überzeugt davon war, dass es die richtigen gewesen sind. "Das waren keine politischen Entscheidungen, sondern sie sind in Absprache mit den Experten getroffen worden", betonte der Landeshauptmann.
Man lerne jeden Tag dazu und man brauche jetzt die volle Kraft und Konzentration, um die Verbreitung des Virus einzudämmen. "Wir tun gar alles, dass der Virus eingedämmt wird", versicherte Platter.
Politisches Nachbeben: FPÖ empört über "Skandal"
Der Coronavirus-Herd Ischgl sorgt zunehmend für vehemente politische Debatten und den Ruf nach Konsequenzen. Die FPÖ nahm in Gestalt von Bundesparteiobmann Norbert Hofer Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) in die Pflicht und verlangte eine Stellungnahme des Ministers ob des "Skandals". Tirols SPÖ-Chef Georg Dornauer forderte indes den Kopf von Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP).
"Dieser Skandal schadet Österreich nachhaltig. Ich erwarte mir dazu endlich eine Stellungnahme von Gesundheitsminister Rudolf Anschober, der sich als verantwortliches Regierungsmitglied mit Sicherheit über alle Details informiert hat", erklärte Hofer in einer Aussendung. Das gestrige - "eher hilflos wirkende" - Interview von Tilg in der "ZIB 2" lege den Verdacht nahe, dass dieser nun der Öffentlichkeit als "Bauernopfer" präsentiert werden soll.
Während Island und andere skandinavische Länder bereits in der ersten März-Woche festgestellt hätten, dass sich ihre Bürger allesamt beim Skifahren in der Region Ischgl angesteckt haben, wären die Behörden in Österreich nicht in Gang gekommen und hätten das "ansteckende Apres-Ski-Treiben" weiter geschehen lassen. "Mittlerweile ist bewiesen, dass es hunderte Corona-Fälle europaweit gibt, deren Epizentrum in Ischgl liegt. Die Zahlen steigen weiter an", so der FPÖ-Chef. "Wir brauchen jetzt kein Scherbengericht. Zuerst gilt es die Krise zu bewältigen, anschließend wird man sich aber sehr intensiv über diese Fehlentscheidungen unterhalten müssen", assistierte Tirols FPÖ-Obmann Markus Abwerzger.
Dornauer für Abberufung des Gesundheitslandesrats
Dornauer will indes nicht so lange warten. Tilg sei mit der aktuellen Situation überfordert und mit seinen eigenen Fehlentscheidungen beschäftigt, so der Tiroler SPÖ-Vorsitzende. "Er muss mit sofortiger Wirkung abberufen werden", verlangte Dornauer. Es brauche jetzt Experten im Gesundheitsressort. Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) stehe in der Verantwortung, so schnell wie möglich Maßnahmen zu ergreifen. Zumal die Krise ihren Höhepunkt noch nicht erreicht habe, meinte Dornauer, der Fahrlässigkeit und Fehlleistungen ortete. Nachdem wir das Virus besiegt haben, werde die Tiroler SPÖ "mit allen parlamentarischen Mitteln" auf Bundes-und Landesebene für volle Aufklärung in dieser Angelegenheit sorgen, kündigte Dornauer Anfragen im Landesparlament und im Nationalrat an. Außerdem werde geprüft, wann eine Sondersitzung des Tiroler Landtags zur Causa möglich und sinnvoll ist.
"Mitten in einer der schwersten Krisen der letzten Jahrzehnte ist es ein Gebot der Stunde zusammen zu halten und an einem Strang zu ziehen. Jetzt ist nicht die Zeit der Abrechnung und der Krisenanalyse", erklärte indes Liste Fritz-Klubobfrau Andrea Haselwanter-Schneider. Und nahm dennoch Tilg in die Pflicht. Der Landesrat habe die Verunsicherung mit seinem TV-Auftritt vergrößert. "So sieht Krisenmanagement definitiv nicht aus. Die Menschen erwarten sich klare Worte und kein Herumeiern, Verschleiern und Vertuschen", griff die Klubobfrau den Landesrat frontal an. (apa)