Die Causa offenbarte Schwächen in der Praxis der mittelbaren Bundesverwaltung.
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Die mittelbare Bundesverwaltung ist prinzipiell eine gute Sache. Sie ermöglicht, dass die Vollzugsstränge von Bund und Land bei den Bezirksverwaltungsbehörden (Städte mit eigenem Statut plus Bezirkshauptmannschaften) zusammenlaufen und verhindert, dass der Bund für jede Aufgabe eigene Bundesbehörden einrichtet. Die Konzentration wichtiger Verwaltungsaufgaben (Straßenverkehr, Katastrophenschutz, Gewerberecht, Umweltschutz) bei einer Behörde, die regional verankert ist, ermöglicht einen orts- und sachnahen Vollzug und die Erzielung von Synergien.
Soweit die Bezirksverwaltungsbehörden Landesrecht (etwa Naturschutz, Bekämpfung von Naturkatastrophen) vollziehen, sind sie der Landesregierung untergeordnet, soweit es sich wie im Fall Ischgl um Bundesrecht (Epidemie- und Pandemierecht) handelt, dem Landeshauptmann. Dieser wiederum ist dem zuständigen Bundesminister unterstellt.
Was nach außen hin ziemlich komplex und intransparent aussieht (welcher Unterschied besteht zwischen Landesregierung und Landeshauptmann, und wie kann der Landeshauptmann einem Bundesminister unterstellt sein?), ist in Wahrheit ein gut ausgeklügeltes System, das einen bundeseinheitlichen und gleichzeitig an den Bedürfnissen vor Ort orientierten Vollzug ermöglicht. Da es sich beim Vollzug des Epidemiegesetzes, um das es in Ischgl maßgeblich ging, um Bundesrecht handelt, war der Gesundheitsminister oberstes weisungsberechtigtes sowie politisch und rechtlich verantwortliches Organ.
Und hier beginnt das Problem: Die Bezirkshauptmannschaft Landeck ist kein unabhängiges Gericht, sondern eine Verwaltungsbehörde. Ihr Handeln bedarf einer Steuerung, nicht nur durch die Gesetze und Verordnungen, sondern auch durch klare Anweisungen der übergeordneten Stellen, was zu tun und zu unterlassen ist. Nach dem Bericht der Ischgl-Kommission ist zu vermuten, dass die Behörde in wesentlichen Entscheidungen allein gelassen wurde. Sie musste mit einem völlig veralteten Gesetz in einer völlig neuartigen Situation unter schwierigen Rahmenbedingungen unter Zeitdruck agieren. Einen Pandemieplan gab es nicht. Ein solcher wäre vom Gesundheitsministerium auszuarbeiten gewesen.
Während, so die Kommission, in den ersten Märztagen prompt und angemessen reagiert wurde, geriet in der Folge Sand ins Getriebe. Den Kulminationspunkt bildete eine Pressekonferenz des Bundeskanzlers, in der er als Regierungschef, aber rechtlich unzuständig, Maßnahmen verkündete. Das wäre nur dann unproblematisch gewesen, wären im Vorfeld bereits die Anweisungen der tatsächlich zuständigen Organe klar und eindeutig ergangen. So traf die Pressekonferenz die Bezirkshauptmannschaft unvorbereitet, zumal sie davon ausgehen musste, dass die Anordnungen des Bundeskanzlers mit dem zuständigen Gesundheitsminister und dem Landeshauptmann abgestimmt waren.
Ähnliche Kommunikationsdefizite traten übrigens auch mehrere Monate später beim Grenzchaos in Kärnten auf, als die Bezirkshauptmannschaften über Umwege von Rechtsvorschriften erfuhren, die soeben in Kraft gesetzt worden waren. So lässt sich die mittelbare Bundesverwaltung natürlich nicht steuern.