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Die Einflussnahme der Türkei und Saudi-Arabiens auf Österreichs Muslime wird immer größer - und damit auch der Einfluss des konservativen politischen Islams.
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Der türkische Einfluss in Österreich verstärkt sich vor allem durch die großen türkischen Dachvereine Islamische Föderation, Union Islamischer Kulturzentren und Atib, deren Präsident immer ein Diplomat der türkischen Botschaft ist.
Hinter Atib steht das Diyanet Isleri Baskanligi (Präsidium für Religionsangelegenheiten), also kein Geringerer als der türkische Staat. So sind auch alle Imame, die in den Atib-Moscheen und Gebetshäusern predigen, Angestellte des türkischen Staates.
Diese Nähe zum eigentlich laizistischen Staat Türkei - tatsächlich gab es dort nie wirklich eine Trennung von Religion und Staat, sondern vielmehr eine starke Kontrolle der Religion durch den Staat - bringt Atib regelmäßig die Kritik ein, die Mitglieder gezielt türkisch-nationalistisch zu beeinflussen und damit einer Integration entgegenzuwirken. Kritisiert wird auch, dass viele Imame - meist direkt aus der Türkei entsandt - nicht der deutsche Sprache mächtig sind.
Saudi-Arabien und Österreich wollen mit Unterstützung des österreichischen Vizekanzlers Michael Spindelegger ein Zentrum für den Dialog der Religionen und Zivilisationen in Wien gründen. Der Großscheich der Al-Azhar-Universität, Ahmed El Tayeb, eine der größten theologischen Instanzen des Islam, warnte davor, Saudi-Arabien eine Plattform für ein wahabitisches Megazentrum in Wien zu bieten. Es sei ja bekannt, welche Unruhe die Saudis mit solchen Zentren weltweit gesät hätten und welche Doktrin dahinterstecke. Tatsächlich ist der aus Saudi-Arabien stammende Wahabismus eine radikale Spielart des Islam, in der Frauen nicht einmal mit dem Auto fahren dürfen.
Die Muslimbruderschaft, die Saudi-Arabiens fundamentalistische Interessen in Europa vertritt, wird seit Jahrzehnten mit vielen Millionen Euro unterstützt, um den wahabitischen Einfluss zu erhöhen und die muslimischen Gemeinschaften zu unterwandern.
Der Verfassungsgerichtshof hat am 1. Dezember 2010 (B 1214/09) entschieden, dass die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) kein Monopol und keinen Alleinvertretungsanspruch mehr für alle Muslime hat. Nur weniger als vier Prozent (rund 20.000) der etwa 600.000 Muslime nahmen an den IGGiÖ-Minderheiten-Wahlen teil, nur etwa 45.000 Muslime (acht Prozent aller Muslime) haben sich angeblich in der IGGiÖ registriert, die Türken haben etwa 70 Prozent aller Führungssitze.
Diese türkisch dominierte IGGiÖ übt als konservative Minderheit undemokratischen Druck auf mehr als 90 Prozent der übrigen Muslime in Österreich aus, obwohl die absolute Mehrheit nichts mit ihr zu tun haben will.
Muslime die nicht Mitglied sind, bekommen keine IGGiÖ-Bestätigungen für Schulen, Begräbnisse, Eheschließungen und anderes, sodass sie dem österreichischen Staat nicht nachweisen können, dass sie Muslime sind, um zum Beispiel ein islamisches Grab bekommen zu können. Das ist eine Diskriminierung, Ungleichbehandlung, Unterdrückung und Schädigung der absoluten Mehrheit der Muslime.
Amer Albayati ist Islamexperte und Mitbegründer der Initiative
liberaler Muslime Österreich.