Bei Konferenz in Wien Shakfeh und Plassnik einig. | Wie ist Religion integrierbar? | Wien. "Wie ist der Islam in Europa integrierbar bzw. nicht integrierbar?" Das ist laut Michael Ley, Politologe an der Universität Innsbruck, die Grundfrage der zweitägigen Konferenz "Islam in Europa" an der Diplomatischen Akademie in Wien. Ein aktuelles Beispiel für diese Fragestellung fand auch Eingang in die Eröffnungsreden. In Deutschland hatte eine Richterin in einem Scheidungsverfahren eheliche Gewalt unter Hinweis auf den Koran gerechtfertigt. In Deutschland löste dies eine Debatte aus, ob die Justiz durch den Islam "unterwandert" sei.
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Der Vorsitzende der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ), Anas Shakfeh, bezeichnete das Urteil in seinem Statement als "skandalöse Geschichte", die durch den Islam nicht gerechtfertigt sei. In Österreich könne so etwas nicht passieren, weil sich hier Richter an die IGGiÖ wenden könnten, die ihnen eine kompetente Antwort gebe. "In Deutschland gibt es keine anerkannte Instanz, die das tut". Auch Außenministerin Ursula Plassnik, deren Ministerium die Veranstaltung mitorganisierte, wandte sich gegen die Idee, "Gruppenrechte auf religiöser Basis für einzelne Gemeinschaften zu schaffen". Plassnik wies darauf hin, wie wichtig die aktive Mitwirkung von Frauen auf die Entwicklung einer Gesellschaft sei.
Der Reis-ul-Ulema Mustafa Ceric, Oberhaupt der bosnischen Muslime, forderte dazu auf, den seit Jahrhunderten auf dem Kontinent verwurzelten Muslimen stärkere Beachtung zu schenken. Sein Traum sei, dass ein Vertreter der "indigenen europäischen Muslime" eines Tages Außenminister eines europäischen Landes werde.
Umstrittene Redner
Das Interesse an der Konferenz war enorm. "Wir wollten die Veranstaltung schon in die Stadthalle verlegen", kommentierte die Pressesprecherin der Diplomatischen Akademie, Angela Püskül, den riesigen Ansturm. Einige Anmeldungen mussten aus Platzgründen zurückgeschickt werden.
Auch in der Öffentlichkeit umstrittene Personen wurden als Redner eingeladen. Die türkisch-deutsche Soziologin Necla Kelel hat etwa in Büchern wie "Die fremde Braut" die Zwangsehe als im türkischen Milieu verbreitete Tradition kritisiert und damit das Missfallen vieler Muslime auf sich gezogen.
Nicht minder kontrovers ist die Persönlichkeit Tariq Ramadans, der über "Islam und der Westen" reden wird. Für die einen ist Ramadan ein Islamreformer, für andere hingegen ein konservativer Islamist, der seine wahren Absichten verschleiert. "Wir wollen durch die geladenen Gäste das gesamte Spektrum der in Europa stattfindenden Islam-Diskussion abdecken", meint Ley.
Kritik an der Auswahl der Gäste kam im Vorfeld von Seiten der Schiiten. Salem Hassan, österreichischer Vertreter der Partei Sciri und eine führende schiitische Persönlichkeit in Österreich, zeigt sich enttäuscht, dass nur sunnitische Vertreter und keine Schiiten eingeladen wurden. "Die Konferenz wäre eine gute Möglichkeit für ein Gespräch gewesen."
Michael Ley hält diesen Vorwurf nicht für berechtigt. "Wir wollten Wissenschaftler einladen, um zentrale Probleme des Islam in Europa zu diskutieren." Religiöse Vertreter selbst stünden nicht im Vordergrund. Das Thema sei nur die Integrierbarkeit des Islam in die Zivilgesellschaft.