Irritationen um die Al-Azhar Schule. | Wien. "Der Islam sieht nicht ein, wieso der säkulare Weg ein Fortschritt ist. Europas säkulare Gesellschaften sind blutleer. Sie brauchen Blut, das nur die Religionen liefern." Diese Aussagen des Islamwissenschafters Elsayed Muhammed Elshahed von der Al-Azhar-Universität in Kairo sorgten im Mai bei einem Podiumsgespräch in Wien für Irritation. Verstärkt wurde die Disharmonie durch Elshaheds Schweigen zur Trennung von Staat und Religion, und den Umstand, dass Elshahed Leiter der Islamischen Religionspädagogischen Akademie in Wien ist, an der Österreichs islamische Religionslehrer ausgebildet werden.
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Die Integration des Islams in die westliche Kultur ist ein kontroverses Thema. Angelpunkt sind die Schulen. In Wien gibt es sechs islamische Schulen mit Öffentlichkeitsrecht. Für medialen Wirbel sorgte die vier Jahre alte Al-Azhar International School, die vor zwei Jahren von Wien-Favoriten nach Floridsdorf (Weisselgasse 28) übersiedelte.
"Es ist das einzige Schulprojekt Europas, welches zwei Lehrpläne anbietet", verkündet die Schulbroschüre. Neben den normalen Fächern wird von arabischen Lehrern der Al-Azhar Lehrplan gelehrt, der "in der ganzen islamischen Welt anerkannt" ist. Arabisch und islamische Fächer wie Koran-Interpretation, Glaubensgrundsätze und islamisches Recht zählen zum Angebot. Die Al-Azhar Schule besteht aus Kindergarten, Volksschule, Hauptschule und Sekundarstufe, die in Ägypten der Oberstufe entspricht.
Etwa 250 Kinder besuchen die Al-Azhar Schule. Neben dem Erreichen der Hochschulreife ist die "Erziehung und Bildung zu verantwortungsbewussten Menschen im Sinne des Islam" vorrangiges Ziel. Der Schulerhalter Hassan Mousa betont: "Al Azhar International School ist ein Projekt der Integration."
In die Medien brachte die Schule ein "Mängelbeseitigungsauftrag" des Stadtschulrats, in dem die Ergebnisse einer Inspektion im März aufgelistet werden: Es wurden "keine den geltenden Lehrplänen für Volksbzw. Hauptschulen entsprechenden Stundenpläne" vorgelegt. Die islamischen Fächer sind "für sämtliche Schüler verpflichtend". Dafür besteht "privatschulrechtlich keine Grundlage". Mehrere arabische Lehrer sind beim Stadtschulrat nicht angezeigt, daher gibt es für ihren Unterricht keine Genehmigung. "Arbeitsbewilligungen bzw. Aufenthaltsgenehmigung" der Lehrer seien vorzulegen, fordert der Stadtschulrat.
"Diese Vorwürfe stimmen einfach nicht", beteuert Mousa. "Ein ehemaliger Mitarbeiter führt einen Kampf gegen uns. Im Stadtschulrat gibt es Kräfte die gegen unser Projekt sind. Viele Leute verwechseln Integration und Assimilation und wollen nicht, dass wir zusätzliche arabische Fächer unterrichten".
Wurde Geld veruntreut?
Aus Schulzeugnissen aus dem Schuljahr 2003/04 geht tatsächlich hervor, dass Schüler wegen eines Fünfers in arabischer Rhetorik die Klasse wiederholen mussten. Hassan Imara, seit Februar Direktor der Haupt- und Sekundarschule, räumt ein, dass der Lehrplan im März geändert wurde: "Nun sind nur mehr österreichische Fächer verpflichtend. Am Nachmittag werden die arabischen Fächer als Freigegenstände angeboten. Das wurde vom Stadtschulrat bestätigt." Allerdings gelte das nur für die Hauptschule. Heuer maturieren einige Schüler nur nach dem Al Azhar Lehrplan: "Für die Sekundarschule haben wir das Öffentlichkeitsrecht nicht bekommen." Imara zeigt einen Inspektionsbericht vom Juni, in dem Bezirksschulinspektor Reinhard Dumser die Führung der Schule und die Qualifikation der Lehrer lobt. Es heißt aber auch dort: "Eine Anzeige der arabischen Lehrer fehlt." Eine österreichische Lehrkraft berichtet: "Kontakt zu unseren arabischen Kollegen ist unerwünscht."
Doch die Vorwürfe reichen noch weiter: Laut der jüngsten Ausgabe des Nachrichtenmagazins "Profil" ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Hassan Mousa, weil er hunderttausende Euro veruntreut haben soll. Gleichzeitig haben einige Lehrer das ihnen zustehende Gehalt nicht erhalten und sind bei der Sozialversicherung nicht oder für ein zu niedriges Gehalt gemeldet sein. Herr Mousa gibt die Probleme zu. Allerdings leitet er den Vorwurf an den Stadtschulrat weiter, denn nur dieser bestimme die Höhe des Gehaltes. Er fordert, der Stadtschulrat möge das Geld direkt an die Sozialversicherung weiterleiten. Bis Jahresende werde die Sache geklärt sein.
Szenenwechsel: Gute Stimmung prägte am Montag das Nachbarschaftsfest des Islamischen Gymnasiums im 15. Bezirk (Rauchfangkehrerstraße 34). Paul Mychalewicz, Geschichte- und Englischlehrer an der Schule, nennt das Fest eine Art "Fenster nach außen": "Wir zeigen anderen Eltern die Schule und laden alle interessierten Leute aus der Nachbarschaft ein." Die Schulklassen präsentierten Tanz- und Theatervorstellungen, ein Flohmarkt wurde aufgebaut. Am Ende gab es orientalisches Buffet.
Vor sieben Jahren wurde das Realgymnasium vom Schulerhalterverein Solmit (Solidarisch miteinander) gegründet. Der islamische Religionslehrer, Kenan Ergün, ist Präsident des Fördervereins. "Wir sind eine ganz normale österreichische Schule", betont Mychalewicz. Im Gegensatz zur Al-Azhar Schule werden alle Kinder von heimischen Lehrern in den gängigen Fächern unterrichtet. Nur der Religionsunterricht ist islamisch, da alle Schüler Muslime sind. Zwei Drittel der Schüler sind türkischer Herkunft, etwa 30 Prozent sind arabisch-sprachig.
Debatten um Irakkrieg
"Am Anfang besteht sprachlich ein Nachholbedarf", gibt Mychalewicz zu. Die meisten Schüler könnten das Deutsch-Defizit mit der Zeit aufholen. Oft seien dabei ältere Geschwister hilfreich: "Eine Geschwisterzahl von bis zu fünf Kindern ist normal bei uns."
Derzeit liegt die Schülerzahl bei etwa 200. Nächstes Jahr werden die ersten Schüler maturieren. "Da wir den österreichischen Lehrplan umsetzen, findet die Integration auch statt", sagt Mychalewicz. "Die Kinder werden mit der österreichischen Kultur vertraut. Wir bemühen uns, Deutsch zur Kommunikationssprache zu machen und die Flucht in eine andere Sprache zu verhindern."
Für Debatten im Unterricht sorgen aktuelle Themen. "Ein fixer Kritikpunkt sind die USA und der Irakkrieg. Die kritische Haltung ist hier sehr ausgeprägt". Direktor Ludwig Sommer weiß, dass die Schule manchen Eltern zu wenig islamisch ist. Es gibt auch Kinder, die versuchen, die Lehrer zum Islam zu bekehren. Es werde aber allgemein geschätzt, wenn der Lehrer praktizierender Christ ist und über seine eigene Religion Bescheid weiß.
Mit großem Erfolg organisiert das islamische Gymnasium jährlich ein interkonfessionelles Fußballturnier. Eingeladen sind Schüler von christlichen und jüdischen Schulen. Vorige Woche waren zum zweiten Mal die Schüler der Dominikanerinnen Sieger. Die islamischen Schülerinnen haben für kommendes Jahr einen Wunsch geäußert: Sie wollen auch kicken.