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Islamische Landkarte und muslimische Organisationen

Von Ednan Aslan

Gastkommentare
Ednan Aslan ist Universitätsprofessor an der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft (www.univie.ac.at/islamische-religionspaedagogik).Alle Beiträge dieser Rubrik unter:www.wienerzeitung.at/gastkommentare

Die Reaktionen auf die jüngst veröffentlichte islamische Landkarte lassen vermuten, dass der eigentliche Sinn und Zweck dieser Arbeit nicht verstanden wurde.


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Nach Veröffentlichung der islamischen Landkarte reagierten bestimmte Organisationen und Personen sehr empfindlich darauf und es überwerfen sich teilweise unberechtigte und unwahre Behauptungen, die zu der Annahme führen, dass der eigentliche Sinn und Zweck dieser Arbeit nicht verstanden wurde. In türkischen Medien warnt eine Grünen-Politikerin gar vor bevorstehenden Moscheeangriffen, da unsere Islamlandkarte potenziellen Attentätern die Lokalisation von Moscheen erleichtere!

Es kursieren auch Stimmen, die uns Verrat an Migranten und die Zusammenarbeit mit der österreichischen Rechtsszene unterstellen, und welche die Darstellung bestimmter Organisationen kritisieren, ohne dabei die Wirklichkeit dieser Informationen zu überprüfen.

Aus diesen Gründen betrachte ich es als erforderlich, die Bedenken und Vorwürfe auf sachlicher Ebene zu diskutieren und einige Unterstellungen auszuräumen.

Die islamische Landkarte ist Teil eines Projektes, das den Beitrag der Imame zur Integration analysiert. In diesem Rahmen werden die Möglichkeiten einer Imamausbildung in Österreich untersucht und Modelle für die Zukunft erstellt. Für diese Zwecke war es erforderlich, diese Landkarte der muslimischen Vereine zu erstellen, um die jeweiligen theologischen Positionen zu verstehen und aufkommende Erwartungen an die Imame zu erstellen.

Mit unserer Arbeit wollten wir ein Gesamtbild der muslimischen Präsenz als ein Teil unserer Gesellschaft zeigen. Dabei werden wir sicherlich bestimmte Wundstellen dieser Organisationen ansprechen, aber auch den Wandel dieser Organisationen zeigen, sodass die islamische Szene nicht einzementiert und zur Isolation verurteilt wird, sondern einem misstrauischen Umfeld gegenüber sogar transparent ist.

Dass besagte Grünen-Politikerin, die ich persönlich sehr schätze, diese Karte als einen Dienst für spekulative Moscheeangriffe betrachtet, verstehe ich als Zeichen dafür, dass wir die Moscheen nicht in der Mitte der Gesellschaft, sondern auf Dauer in der Isolation am Rand der Gesellschaft lieber verborgen und unauffällig haben möchten.

Den Vorwurf verdient dieses Land nicht, dass die Moscheen ständig unter Gefahr stünden. Ein Teil der Kritiker betrachtet die Fremdenfeindlichkeit als allgemeinen gesellschaftlichen Charakter, verweigert daher den Dialog und versucht, von der gegenseitigen Abgrenzung zu profitieren.

Für die Muslime fängt hiermit sicherlich ein neuer Diskurs aus der Mitte der Gesellschaft heraus an, da sie nun von der Mehrheitsgesellschaft besser wahrgenommen und herausgefordert werden können.

Durch diese Begegnung entsteht unter den Muslimen die Chance, eine Diskussionskultur in der Gesellschaft, in der sie leben, zu entwickeln, und sich von unehrlichen Debatten aus ihren Herkunftsländern abzulösen. Dieser Wandel würde auch die Chance bieten, mehr für ihre eigene Zukunft zu investieren und die Widersprüche zwischen ihrer Religion und der Gesellschaft aufzuklären. Auf Dauer wird es den Muslimen nicht helfen, in einer Gesellschaft zu leben, aber gleichzeitig von einem andern Gesellschaftsmodell zu träumen.

Trotz des Widerstands einer kleinen Minderheit unter ihnen sollten die Muslime bereit sein, den steinigen Weg zu gehen und sowohl Vorurteilen als auch tatsächlich bestehenden inner-muslimischen Problemfeldern mutig und selbstkritisch entgegenzutreten.

Die Mehrheitsgesellschaft ist dabei gefordert, den Muslimen den Weg in die Mitte der Gesellschaft zu erleichtern, sollte dabei aber Bedacht nehmen, den Dialogprozess nicht mit unerfüllbaren Ansprüchen überzustrapazieren.