Dass auch arabische Staaten sich gegen IS wenden, wiegt schwerer als eine Aktion des bei vielen Muslimen verhassten Westens.
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Die Strategie ist aufgegangen. Die ersten Luftangriffe unter dem Oberkommando der Vereinigten Staaten gegen IS (Islamischer Staat) in Syrien wurden unterstützt von fünf arabischen Staaten. Bis zuletzt war nicht sicher, ob Katar, Saudi-Arabien, Bahrain, die Golfemirate und Jordanien tatsächlich an einer gemeinsamen Aktion gegen die Dschihadisten mitmachen würden. Unermüdlich hatte US-Außenminister John Kerry in den letzten Tagen versucht, möglichst viele Staaten für eine Allianz zu gewinnen. Bei den Europäern lief er damit offene Türen ein. Frankreich beteiligt sich schon seit einer Woche mit Jagdbombern am Kampf gegen IS im Irak, Großbritannien liefert Waffen und auch die Deutschen schicken in den nächsten Tagen eine Antonow mit militärischem Gerät nach Kurdistan. Doch das Wichtigste ist, die Araber mit im Boot zu haben. Ohne sie ist der Erfolg gegen IS zweifelhaft. Nun hat sogar ein Sprecher des syrischen Außenministeriums in Damaskus bestätigt, Washington habe den syrischen UN-Gesandten über die beabsichtigten Luftangriffe vorab informiert und Damaskus sei kooperationsbereit. Besser hätte es für Kerry nicht laufen können.
Die Luftschläge gegen die Terrorgruppe auf syrischem Territorium markieren einen wichtigen Wendepunkt im Konfliktherd Mittlerer Osten. Nicht nur militärisch sehen sich die "islamistischen Monster", wie der britische Premier David Cameron die IS-Kämpfer nennt, in die Enge getrieben. Die Ausdehnung der Aktionen auf Syrien lässt von nun an keinen "sicheren Hafen" mehr zu. Überall können sie attackiert werden. Zwar hatte die Spitze der Terrororganisation Vorsorge getroffen und einige ihrer wichtigsten Ausrüstungsgegenstände vor dem Angriff in Sicherheit gebracht, doch die Bombardierung ihrer De-facto-Hauptstadt Raqqa durch alliierte Flugzeuge macht IS die Koordination schwerer. Doch was noch mehr ins Gewicht fallen dürfte, ist die politische und moralische Komponente des internationalen Zusammenschlusses. Die Tatsache, dass muslimische arabische Staaten sich nun auch gegen IS wenden, wiegt schwerer als eine Aktion des ohnehin bei vielen Muslimen verhassten Westens. Die Amerikaner und ihre westlichen Verbündeten allein würden in der Region nur noch mehr Hass hervorrufen, der seit dem letzten Irak-Krieg von 2003 ohnehin stetig gewachsen ist. Okzident gegen Orient, war seitdem die Parole. Auf dieser Klaviatur spielen IS und andere islamistisch extremistische Gruppen bis heute. Diese Legitimität ist jetzt obsolet.
Doch die breite Allianz gegen den IS bringt nicht nur Okzident und Orient wieder näher zusammen. Sie vereint auch die arabische Welt selbst. Und das ist das eigentlich Bemerkenswerte daran. Denn die Revolutionen in einigen Ländern haben die Ex-Partner entzweit. So beteiligte sich Katar an den Militäroperationen gegen Gaddafi in Libyen und unterstützte mit viel Geld die Muslimbrüder in Ägypten. Auch die Aufnahme von Hamas-Führer Maschal in Doha wurde in Riad mit Argusaugen gesehen. Katar drängte mit aller Macht aufs internationale Parkett. Das ungeliebte Vorpreschen des Emirs hatte diplomatische Folgen: Die anderen Golfstaaten zogen ihre Botschafter aus Doha ab. Einzig in Syrien arbeitete man noch zusammen. Reiche Scheichs aus Saudi-Arabien, Katar und Kuwait gaben den Rebellen Geld zum Waffenkauf gegen Assad. Diese "Anschubfinanzierung" nutzte IS, die aus der Rebellenfront ausbrach und fortan eigene Ziele verfolgte. Was das bedeutete, wissen wir heute. Ein eigener Staat, ein Kalifat, wurde gegründet. Dass die Golfstaaten hier als Brandbeschleuniger dienten, darf man ihnen zu Recht vorwerfen. Dass sie nun einen Flächenbrand befürchten, der nicht mehr nur auf Irak und Syrien beschränkt bleibt, hat sie zum militärischen Eingreifen zusammen mit den USA bewogen. Der gemeinsame Feind heißt ab nun nicht mehr Israel, sondern "Islamischer Staat".