Rückgang bei Linksextremismus, Rechtsextremismus stagniert auf hohem Niveau.
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Wien.Ein nach wie vor hohes Gefährdungspotenzial im Bereich islamistischer Terrorismus, auf hohem Niveau stagnierende Tatbestände im Bereich Rechtsextremismus und ein Rückgang des Bedrohungspotenzials im Bereich Linksextremismus - so könnte man den nun vorliegenden Verfassungsschutzbericht 2017 zusammenfassen. Trotz der Affäre rund um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) gaben sich der nun wieder im Dienst befindliche BVT-Direktor Peter Gridling und Michaela Kardeis, Generaldirektorin für die Öffentliche Sicherheit, alle Mühe, die Arbeit der Verfassungsschützer als Business as usual darzustellen. Der 85 Seiten starke Bericht beinhalten, wie auch in den letzten Jahren, nicht nur Daten zu den jeweiligen extremistischen Szenen, sondern auch Fachkapitel. Neben den Bereichen Links- und Rechtsextremismus sowie Islamismus oder der Staatsverweigerer-Szene geht der Bericht erstmals näher auf "separatistische Strömungen" ein.
Separatistische Gefahr
Konkret widmet der Bericht den Entwicklungen in Katalonien, dem Kosovo, Kurdistan/Irak und auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetrepublik Nagorno-Karabakh ein eigenes Kapitel. Auch die Situation in weniger von Gewalt betroffenen Regionen wie Schottland, Flandern, dem Baskenland oder Korsika werden thematisiert. Österreich als "Gastland" sowohl von Befürwortern als auch Gegnern der jeweiligen separatistischen Tendenzen sei potenziell einer "unmittelbar an die Entwicklung im Heimatland" gekoppelten "Polarisierung" ausgesetzt, argumentieren die Verfassungsschützer. Es könne sowohl zu "sicherheitsgefährdenden nachrichtendienstlichen Aktivitäten" als auch zu "Gewalteskalationen" auf der Straße kommen. Eine strategische Beobachtung der Entwicklung bereits im Vorfeld sei notwendig.
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Zurück zum heimischen Extremismus: Mit 1063 registrierten Tathandlungen führt der Bereich Rechtsextremismus, Rassismus, Islam- und Fremdenhass sowie Antisemitismus die Statistik an. Im Vergleich zu 2016 bedeuten die Zahlen einen Anstieg um 19 Prozent. Knapp 58 Prozent der Fälle konnten aufgeklärt werden (2016: 61 Prozent). Antisemitische Taten seien dabei keineswegs auf den Bereich Rechtsextremismus beschränkt, sagt Gridling und verweist auf das medial viel diskutierte Problem des muslimischen Antisemitismus. "Wir beobachten genau die Motivationslage im Bereich Rechtsextremismus", versuchte Gridling jenen Berichten entgegenzutreten, die nach der Razzia im BVT von Einschüchterungen der für den Bereich zuständigen, leitendenden Beamtin Sibylle G. sprachen.
Rechtsextreme rekrutieren
Wie auch im Vorjahr widmet sich der Bericht ausführlich der sogenannten "Neuen Rechten", vor allem der rechtsextremen Identitären Bewegung. Vor allem deren hoher Grad an internationaler Vernetzung und ihre Rekrutierungstätigkeit unter Jugendlichen sei ein Problem. Die Verfassungsschützer thematisieren aber auch die intensiven und erfolgreichen Versuche der Rechtsextremen, ihre Ideologie auch im gemäßigt rechten Milieu salonfähig zu machen.
Im Bereich Linksextremismus habe man es 2017 "hauptsächlich mit Sachbeschädigungen" zu tun gehabt, sagt Gridling. Insgesamt sei in diesem Bereich eine "positive Entwicklung", wie der Bericht ausführt, zu beobachten - wenn auch vor allem von der autonomen Szene nach wie vor ein erhöhtes Gewaltpotenzial ausgehe. Im Vergleich zu 2016 ist 2017 ein Rückgang der linksextremen Tathandlungen von 383 auf 211 zu verzeichnen. Aufgeklärt werden konnten allerdings nur rund 14 Prozent. Rund um den EU-Ratsvorsitz Österreich, so Gridling, seien allerdings wieder verstärkt Drohungen in der extrem linken Szene zu beobachten.
Türkei als Sicherheitsproblem
Sorgen machen dem BVT-Direktor auch die Aktivitäten des türkischen Regimes von Recep Tayyip Erdogan. Rund um das dortige Verfassungsreferendum 2017 seien "Vereine aufgefordert worden, die Namen von Erdogan-Gegnern zu nennen". Die betroffenen Personen seien danach bei der Einreise in die Türkei mit Repressionen konfrontiert worden. Auch habe es von Hackergruppen Angriffe auf Ziele aus der kritischen Infrastruktur gegeben, berichtet Gridling. Auch Drohungen gegen Behörden und oberste Organe der Republik seien ausgesprochen worden - gemeint sind wohl unter anderem Drohungen gegen ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz.