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Islamisten-Terror zielt auf maximalen Horror

Von Clemens M. Hutter

Gastkommentare

Der jemenitische Al-Kaida-Ableger jault vor Vergnügen: Zwei jüngst im Westen abgefangene Paketbomben hätten sie nur 3000 Euro gekostet, den Westen sein "Sicherheitswahn" aber Milliarden (allein die USA kostet er jährlich an die 45 Milliarden Euro). Ein terroristischer Strategiewandel? Sicher nicht, denn islamistischer Terrorismus legt es immer auf maximalen Horror an. Deshalb auch die jüngste und bisher deutlichste Terrorwarnung in Deutschland.


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Die latente Bedrohung durch Terrorismus gibt dem deutschen Innenminister Thomas de Maiziere "Anlass zu Sorge, aber nicht zu Hysterie". Es gebe zwar "keine konkreten Hinweise für unmittelbar bevorstehende Terrorakte", wohl aber auf konkrete Planungen. Fazit: Warnt de Maiziere nicht, dann hängt man ihm hinterher den Versager an. Warnt er aber und es passiert nichts, so schilt man ihn einen Hysteriker. So oder so, für islamistische Terroristen ist eine Terrorwarnung stets auch ein PR-Erfolg: Sie jagt der Öffentlichkeit Angst ein, macht als unsichtbare Bedrohung Schlagzeilen, regt zu Spekulationen an und erweist sich als "Respekt" vor einer unberechenbaren Macht.

Konkrete Warnungen fehlten vor 9/11 in New York mit mehr als 3000 Toten, obschon Leute hätten auffallen müssen, die in Florida privat Flugunterricht genommen und dabei auf sicheres Landen ausnehmend wenig Wert gelegt hatten. 2002 schlugen Terroristen aus heiterem Himmel auf Bali zu (200 Tote), nicht anders 2004 in Madrid (192 Tote, 2000 Verletzte), 2005 in London (56 Tote, 700 Verletzte) oder 2008 in Mumbai (166 Tote, 300 Verletzte).

Das scheint bei Geheimdienstlern gelegentlich Inkontinenz in Form von Tipps an die Medien auszulösen: Terroristen reisen im letzten Augenblick vor dem Attentat über den Balkan ein, "irgendwo" gestand ein reuiger Terrorist den Plan eines Anschlags "irgendwo" in Europa.

Vorbei sind also die vergleichsweise "gemütlichen" Zeiten, als die Baader-Meinhof-Banditen Geiseln nahmen, um Genossen aus der Haft freizupressen, oder Prominente (nicht Promis) ermordeten, damit die verschreckte Öffentlichkeit kapiere, dass der Staat seine Bürger nicht schützen könne. Wie damals, so gilt auch heute: Der Terrorist bestimmt Ziel, Zeitpunkt und Ausmaß seines überraschenden Schlages.

Im Gegensatz zu damals nimmt der islamistische Terrorist heute den "Märtyrertod" in Kauf - wie in New York oder Mumbai. Ihn schrecken weder Haftstrafen noch Todesurteile ab. Somit ist es gewiss Zeit für Sorge, nicht aber für Hysterie. Deshalb heizen mediale und sonstige Spekulationen nur Hysterie an, sie begünstigen also das

Geschäft der Terroristen: Angst zu verbreiten.

Genau das betrieb auch US-Präsident George W. Bush, der dem Terrorismus den Krieg erklärte - einen aussichtslosen "Krieg im Dunkeln", in dem der Terrorist ungleich besser sieht als der Angegriffene. Ein Jahrzehnt später ist Bush als populistischer Illusionist entlarvt - siehe Afghanistan und Irak.

Clemens M. Hutter war Ressortchef Ausland bei den "Salzburger Nachrichten".