Zum Hauptinhalt springen

Islamisten wittern auch in Islamabad Morgenluft

Von WZ-Korrespondentin Agnes Tandler

Politik

Talibanisierung Pakistans geht sukzessive weiter. | Neu Delhi. Die Angst vor einer Talibanisierung Pakistans wächst. Der Oppositionspolitiker und Ex-Premierminister Nawaz Sharif zeigte sich zu Wochenbeginn besorgt über den umstrittenen Friedensdeal zwischen der Regierung und den Taliban im Swat-Tal, einem früheren Urlaubsgebiet nur rund 100 Kilometer von der Hauptstadt Islamabad entfernt.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Zuvor hatte der US-Sondergesandte Richard Holbrooke die Situation in Pakistan als "sehr gefährlich" bezeichnet. Das Abkommen mit den Taliban scheine ihm ein "verworrener Deal". "Sie rücken immer weiter nach Islamabad vor", warnte er. Sharif erklärte, die Extremisten drohten, ihren Einfluss jetzt auch auf andere Regionen auszuweiten. Die Taliban richteten bereits Kontrollposten in Buner, einem Nachbar-Distrikt vom Swat, ein.

Einladung an Osama bin Laden ins Swat-Tal

Gleichzeitig sprach ein Taliban-Sprecher im Swat Osama bin Laden provokativ eine Einladung aus. Der Al-Kaida-Führer sei im Tal willkommen, sagt er gegenüber AP.

Zuvor hatte der lokale Talibanführer vor 20.000 Menschen Demokratie für unislamisch erklärt. Im Tal gilt offiziell die Sharia, das islamische Rechtssystem. Die militanten Kämpfer wollen sich dort festsetzen. Mit der Eröffnung einer "Partnervermittlung" möchten sich die Taliban auch in die Herzen der Familien im Swat- Tals einheiraten.

Diese bevorzugen nach pakistanischer Tradition die arrangierte Ehe unter Einheimischen. Elf "Liebesheiraten" wollen die Extremisten in den letzten zehn Tagen schon geschlossen haben - angeblich freiwillig.

Der neue Triumph der Sharia im Swat hat auch in der Hauptstadt Islamabad Anklang bei den religiösen Hardlinern gefunden. Maulana Abdul Aziz, der berüchtigte Demagoge der Roten Moschee, war 21-monatiger Pause wieder an seine alte Wirkungsstätte zurückgekehrt. Überraschend hatte das Oberste Gericht vorige Woche den Hausarrest gegen den Aufwiegler aufgehoben, obwohl mindestens 26 Verfahren gegen ihn anhängig sind. Zurück in der Roten Moschee forderte Aziz sogleich die Sharia für ganz Pakistan.

Wenig ehrenvoll war Aziz im Juli 2007 unter einer Burka versteckt aus der Moschee geflohen, nachdem die Armee mit deren Stürmung begonnen hatte. Zuvor hatten Aziz und seine Madrassa monatelang die Regierung provoziert, indem sie in der Moschee Waffenlager anlegten.

Beobachter befürchten, dass die Anhänger von Aziz, zu denen auch verbotene religiöse Gruppierungen gehören, nach der Rückkehr ihres Führers wieder Morgenluft wittern. Vor der Roten Moschee in Islamabad, nur ein Steinwurf vom Parlament entfernt, begann wieder der Verkauf von verbotener Hetzliteratur und Motivations-Videos für den Jihad.

FragwürdigeBeschwichtigungpolitik

Manche glauben, die plötzliche Freilassung von Aziz könne Teil einer neuen Appeasement-Politik der Regierung sein, die die Taliban spalten will, indem sie Al-Kaida-nahe Gruppen bekämpft, andere Militante jedoch hofiert. Seit der Stürmung der Moschee nahm die Zahl der Attentate in Pakistan exponentiell zu. Die Regierung scheint darauf zu spekulieren, dass die Entlassung des Predigers die Gewalt im Land dämpft. Auch das Abkommen im Swat-Tal scheint Teil einer solchen Strategie, die allerdings zunehmend so aussieht, als wolle die Regierung das Feuer mit Kerosin löschen.