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Islamlehrer-Studie sorgt für Wirbel

Von Stefan Beig

Politik

22,6 Prozent haben eine "fanatische Haltung". | Eine eigene Lehrveranstaltung für Islamlehrer ist nun geplant. | Muslime beschweren sich schon seit Jahren. | Freunderlwirtschaft statt Qualifikation? | Wien.Eine umfassende wissenschaftliche Studie lässt die Wogen hochgehen: 73 Prozent der Islamlehrer in Österreich haben weder eine pädagogische noch theologische Ausbildung, mehr als 20 Prozent lehnen die Demokratie ab, für 44 Prozent ist die Vermittlung von Überlegenheitsgefühlen vorrangiges Ziel und 18,2 Prozent äußern Verständnis dafür, vom Islam abgefallene Muslime mit dem Tod zu bestrafen. Studienautor Mouhanad Khorchide, selber Islamlehrer und Imam, kommt zum Schluss, dass 22,6 Prozent der Islamlehrer eine "fanatische Haltung" haben.


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Kritiker der Führung der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) sehen sich bestätigt. "Wir haben bei Recherchen immer wieder Klagen über demokratiefeindliche Positionen islamischer Religionslehrer gehört", meint der Politikwissenschafter Thomas Schmidinger, der im Herbst das "Handbuch des politischen Islam" herausbrachte. "Die Ergebnisse der Untersuchung bestätigen unsere Kritik an der derzeitigen Form des Religionsunterrichts und der dafür verantwortlichen Führung der IGGiÖ." Wer zum Islamlehrer befähigt ist, entscheidet IGGiÖ-Präsident Anas Schakfeh.

Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" bezweifelt Schakfeh die Ergebnisse: "Ich vermute, dass die meisten Lehrer durch die Fragestellung irritiert wurden. Die Frage Lehnen Sie die Demokratie ab, weil sie mit dem Islam unvereinbar ist suggeriert bereits, dass Islam und Demokratie unvereinbar sind. Das war unsauber." Bei den Imam-Konferenzen wurden gerade Menschenrechte und Demokratie als mit dem Islam vereinbar hervorgehoben. Schakfeh beteuert, dass auch die Islamlehrer diese Einschätzung teilen: "Die islamischen Prinzipien sind die Grundlage für die Menschenrechte. Nun werden wir aber für alle Islamlehrer eigene Lehrveranstaltungen durchführen, in denen wir das hervorheben."

Kritik am Unterricht kommt aus den eigenen Reihen

Bisher waren Muslime selbst die lautesten Kritiker der IGGiÖ-Führung. Besorgte türkische Eltern legten schon vor Jahren dem Unterrichtsministerium Mitschriften aus dem Islamunterricht vor - mit deutlichen Zitaten: "Der Islam verbietet, dass Männer und Frauen zusammensitzen.", "Die Selbstmordattentäter im Irak und in Palästina opfern sich für Gott auf. Es ist ein Krieg für die Religion.", "Es ist eine Sünde, Militärdienst in Ländern zu leisten, die nicht vom Islam regiert werden."

2002 wandten sich einige an die Öffentlichkeit: "Die Lehrer hetzen unsere Kinder gegen Israel und die USA auf", berichtete ein empörter türkisch-stämmiger Familienvater der Wochenzeitschrift "profil". Ali Yavuz Kuscu, Präsident des Dachverbands von 182 türkischen Vereinen, empfahl den Eltern, die Kinder vom islamischen Religionsunterricht abzumelden, da "die meisten Lehrer sehr oft fundamentalistisch eingestellt sind." Tatsächlich besucht derzeit nur die Hälfte aller muslimischen Schüler den Religionsunterricht.

Laut Schakfeh gab es 1982, als der Islamunterricht in Österreich eingeführt wurde, noch keine qualifizierten Lehrer. Das änderte sich 1998 mit der Schaffung der Islamischen Religionspädagogischen Akademie (Irpa) in Wien. Freilich: Bislang haben erst 50 Studenten die Irpa abgeschlossen, österreichweit gibt es aber 350 Lehrende. Dazu Schakfeh: "Auch die übrigen Lehrer sind qualifiziert. Alle müssen eine pädagogische Ausbildung und eine Eignungsprüfung machen. Jährlich werden fünf bis sechs neue Islamlehrer angestellt. Alle davon sind entweder Irpa-Studenten oder Irpa-Absolventen."

Einige Islamlehrer - ihre Namen sind der Redaktion bekannt - widersprechen dieser Darstellung. "Seit 2003 wurden zahlreiche Lehrer angestellt, die an der Irpa studiert haben und auch nicht Deutsch sprechen", meint ein Religionspädagoge. Als Beispiele für unqualifizierte Lehrkräfte werden etwa ein ehemaliger Zeitungsverkäufer, eine Kellnerin oder ein Arbeiter des Automobilherstellers Magna Steyr genannt. Selbst unter den Fachinspektoren gebe es Personen, die abgesehen von einem Schulabschluss keine Qualifikation vorweisen könnten. Von den Behörden wurde Anfang dieses Schuljahres einzig die Bestellung eines Palästinensers abgelehnt, gegen den damals noch die Staatsanwaltschaft Wien wegen Terrorismusfinanzierung ermittelte.

"Wichtigstes Qualitätskriterium ist, dass die Lehrer nicht die IGGiÖ-Führung kritisieren", berichtet ein Pädagoge. Prominentes Opfer sei Husein Veladzic, ein bosnischer Islamlehrer in Oberösterreich. Veladzic berichtet: "Ich übte Kritik am Umgang der Linzer Religionsgemeinde mit den Geldern. Damit wurde ich zum schwarzen Schaf." 2006 bekam er ein Schreiben in gebrochenem Deutsch: "Das Schulamt der IGGiÖ hat gegen Sie ein Disziplinär Verfahren wegen Verunglimpfung bzw. Ihres Arbeitgebers eingeleitet." Veladzic reichte über seinen Anwalt eine Stellungnahme ein. Auf eine Antwort der IGGiÖ wartet er bis heute. Schakfeh spricht von Denunzierung. "Wir hätten Veladzic entlassen sollen, was wir aber aus Mitleid nicht getan haben."

Ebenfalls in Oberösterreich ging der Muslim Günther Ahmed Rusznak 2007 zum Landesschulratspräsidenten mit einer Liste von Islamlehrern, die kaum Deutsch können. "In Oberösterreich müssen heute alle Lehrer eine eigene Deutschprüfung ablegen", bekräftigt dazu der IGGiÖ-Präsident.

Irpa-Dozent wetterte gegen die Schiiten im Irak

Für innerislamsiche Schwierigkeiten sorgte in den letzten Jahren auch ein Irpa-Dozent, der mit Freitagspredigten in einer Wiener Moschee die Schiiten verärgerte: "Die Iraner und ihre Männer im Irak haben eine gewalttätige Schule erfunden", rief er etwa bei einer Trauerveranstaltung für Saddam Hussein. "Sie schlitzen die Menschen im Irak mit Bohrern bei lebendigem Leib auf." Einmal hätten die Schiiten "einem Kind den Bauch aufgeschlitzt, ihn danach mit Reis gefüllt und die Leiche gegrillt und seinen Angehörigen zurückgegeben."

Ein gebürtiger Iraker berichtet der "Wiener Zeitung": "Al-Janabi hetzte die Leute auf und erhob wilde Beschuldigungen gegen die Schiiten im Irak. Dass so jemand ungestört hier wirken kann, ist sehr schlecht für Österreich." Einzelne Personen sollen sich bei der IGGiÖ und der Moschee-Führung beschwert haben. Schakfeh verweist darauf, dass der Imam nicht mehr aktiv ist: "Als Al-Janabi einmal über das Ziel hinausgeschossen ist, habe ihm nahegelegt, nicht länger in der Moschee zu predigen." Seit der Umstellung der Irpa zu einer Hochschule unterrichtet Al-Janabi angehende Lehrer auch nicht mehr.