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Teils regulärer Unterricht, meist aber noch Modellprojekte. | Dem Staat fehlt ein Ansprechpartner, der wirklich legitimiert ist. | Frankfurt/Main. (ap) Seit Jahren rührt der deutsche Innenminister Wolfgang Schäuble die Werbetrommel für Islamunterricht auf Deutsch an staatlichen deutschen Schulen. Vor einem Jahr verständigten sich Bund und Länder mit muslimischen Verbänden, dass islamische Religion ordentliches Unterrichtsfach werden soll. In den Bundesländern ist die Einführung inzwischen unterschiedlich weit gediehen: Neben regulärem Unterricht bei einigen Vorreitern laufen in den meisten Ländern - außer in Ostdeutschland - Modellprojekte.
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Nach Angaben der Islamwissenschafterin Irka Mohr bewegt sich der Unterricht zwischen zwei Polen: Einem ausschließlich staatlich verantworteten wie in Nordrhein-Westfalen und einem ausschließlich von der Religionsgemeinschaft verantworteten Unterricht wie in Berlin.
Vorreiter waren Nordrhein-Westfalen und Bayern: Bereits in den 80er Jahren boten sie religionskundlichen Islamunterricht als Teil des muttersprachlichen Ergänzungsunterrichts in Türkisch an. Seit 1999 gibt es in Nordrhein-Westfalen, seit 2001 in Bayern Islamkunde als eigenständiges Fach in deutscher Sprache.
Mehrere Dachverbände, keine Gemeinschaft
Wegen der Vorgaben des Grundgesetzes und der Organisationsweise der Muslime ist die Einrichtung islamischen Religionsunterrichts in Deutschland nicht unproblematisch. Im Grundgesetz heißt es, dass der Religionsunterricht "in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaft erteilt" wird. Dafür muss der Staat eine Religionsgemeinschaft als Ansprechpartner haben, die von ihren Mitgliedern legitimiert ist, verbindliche Aussagen über Glaubensinhalte zu treffen.
Die verschiedenen islamischen Organisationen in Deutschland sind aber nicht als Glaubensgemeinschaft anerkannt. Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht 2005 erklärt, die Voraussetzungen einer Religionsgemeinschaft könnten von Dachverbänden erfüllt werden.
In Bayern werden rund 15.000 Schüler über Grundzüge des Islam unterrichtet. Es handelt sich nicht um eine Glaubensunterweisung wie etwa im katholischen Religionsunterricht, sondern um Religionskunde. Einen vertieften Islamunterricht, der einer Glaubenseinweisung nahekommt, gibt es aber als Modellprojekt seit 2002 in einem Dutzend Grund-, Haupt- und Realschulen. Grundlage ist ein Lehrplan, der von der Universität Erlangen zusammen mit islamischen Elternvereinen entwickelt wurde.
In Baden-Württemberg startete zum Schuljahr 2006/2007 ein auf vier Jahre angelegter Modellversuch an zwölf Grundschulen. An zehn Schulen wird der Islam sunnitischer Prägung vermittelt, an zwei die alevitische Glaubensrichtung. "Das stößt bisher auf gute Resonanz", sagt Hansjörg Blessing, Sprecher des Kultusministeriums. "Die Schüler fühlen sich in ihrer Religion anerkannt, und es wirkt sich positiv auf die Integration der Eltern aus, die sich mehr für das interessieren, was in der Schule sonst noch passiert."
Auch in Bremen läuft seit 2004 ein Modellversuch, in Schleswig-Holstein wird in neun Grundschulen Islam-unterricht erteilt. In Rheinland-Pfalz gibt es seit 2004 einen Modellversuch an einer Ludwigshafener Grundschule, mit dem man laut Ministerium gute Erfahrungen gesammelt hat. Der Unterricht basiert auf einem Rahmenlehrplan, der gemeinsam vom Ministerium, den islamischen Partnerorganisationen in Ludwigshafen, den pädagogischen Serviceeinrichtungen im Land und Islamwissenschaftern erarbeitet wurde. Jetzt wurde das Modellprojekt auf eine Mainzer Grundschule ausgeweitet. Weitere Grundschulen sollen folgen.
In Hessen gibt es keinen Islamunterricht an staatlichen Schulen. Kultusministerin Dorothea Henzler (FDP) will freilich ein entsprechendes Angebot für die rund 60.000 muslimischen Kinder schaffen. Vorige Woche begrüßte der Landtag den Vorstoß mit den Stimmen aller Fraktionen. Nun soll ein repräsentativer Ansprechpartner auf islamischer Seite gefunden werden. In Niedersachsen bekommen seit 2003 Kinder an 29 Grundschulen in einem Modellversuch islamischen Religionsunterricht erteilt.
Entscheidend sind gut ausgebildete Lehrer
Auch in Hamburg soll Islamunterricht eingeführt werden. Nur im Saarland und den ostdeutschen Ländern gibt es bisher wegen fehlender Nachfrage keine solchen Pläne. Eine Ausnahme ist Berlin, wo bisher rund 4600 Schüler, überwiegend Grundschüler, am Islamunterricht teilnahmen, den die Islamische Föderation als Zusatzunterricht anbietet.
Dadurch sei der Einfluss auf die Lehrpläne gering, sagt der Sprecher der Senatsverwaltung für Bildung, Jens Stiller. Ende April soll der Volksentscheid "Pro Reli" stattfinden, mit dem Religionsunterricht dem Pflichtfach Ethik gleichgestellt werden soll.
Die Islamwissenschafterin Mohr sieht es für einen Erfolg der verschiedenen Projekte als entscheidend an, dass die Lehrer pädagogisch-didaktisch gut ausgebildet seien und entsprechende Konzepte und Lehrbücher verwendeten: "Wenn man keine gut ausgebildeten Lehrer hat, nützt das alles nichts."