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Island könnte schon 2011 der EU beitreten

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Schwierige Gespräche nur im Bereich Fischerei. | Zwei Drittel des EU-Rechtsbstands bereits umgesetzt. | Brüssel/Reykjavik. Bis Freitagabend konnte sich das Parlament in Reykjavik nicht dazu durchringen, einen Antrag auf EU-Beitritt zu stellen. Der Grund: Innerhalb der Regierungskoalition von Sozialdemokraten und den eher EU-skeptischen Links-Grünen gibt es noch offene Fragen.


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Wenn das Beitrittsgesuch in den nächsten Tagen eintrudelt - womit zu rechnen ist - könnte alles sehr rasch gehen. Weil Island als EWR-Mitglied bereits rund zwei Drittel des EU-Rechtsbestands umgesetzt hat, geht Brüssel davon aus, dass die Beitrittsverhandlungen sehr zügig durchgezogen werden. Bereits im Dezember könnte Island Kandidatenstatus erhalten. Nicht unwahrscheinlich wäre, dass innerhalb eines Jahres ab Einreichung des Beitrittsantrags die Verhandlungen abgeschlossen sind. Der Beitritt selbst wäre dann im ersten Quartal 2011 fällig - und damit deutlich früher als jener Kroatiens.

Zagrebs Beitrittsgespräche werden nicht nur wegen Grenzstreitigkeiten von Slowenien blockiert. Inhaltlich bereiten aus EU-Sicht die schleppenden Reformen der Justiz, der halbherzig wirkende Kampf gegen Korruption und die maroden Werften Sorge, die ohne üppig bemessene EU-rechtswidrige Subventionen kaum überlebensfähig sind. Gerade im Justiz- und Innenbereich kann derzeit keinerlei Nachsicht von der EU erwartet werden, der Beitritt der beiden jüngsten EU-Mitglieder Bulgarien und Rumänien war hier eine Lehre. Beide bewegen sich auch noch nach zweieinhalb Jahren Mitgliedschaft deutlich abseits der EU-Standards. In den nächsten Fortschrittsberichten der EU-Kommission, die im Juli präsentiert werden sollen, wird eine verheerende Bestandsaufnahme erwartet. Der Erlass von Schutzklauseln wird erstmals nicht ausgeschlossen. Die gehen von der Nicht-Anerkennung von Urteilen bulgarischer und rumänischer Gerichte bis zur Suspendierung der EU-Justiz- und Polizeizusammenarbeit.

Isländer müsstenFischgründe öffnen

Vor diesem Hintergrund erscheint ein Beitritt Islands noch vor Kroatien recht plausibel. Doch manche Diplomaten halten dieses Szenario für überzogen: Selbst unter optimaler Abwicklung aller Prozeduren sei ein Beitritt Islands frühestens per 1. Jänner 2012 möglich, sagen sie.

Im Falle Islands dürfte bloß das Kapitel Fischerei wirklich schwierig werden. Denn die Isländer bestehen auf einer nachhaltigen Bewirtschaftung ihrer Fischereigründe, müssten diese aber nach dem Beitritt zunehmend den Fangflotten der EU-Länder öffnen. Das würde nach Ansicht von Experten eine enorme Überfischung nach sich ziehen.

Keine Hürde für einen raschen Beitritt zur Europäischen Union wären die radikalen Rettungsaktionen der isländischen Banken durch den Staat. Da sie vor dem Beitritt stattgefunden haben, mussten sie auch nicht EU-rechtskonform durchgeführt werden.