Neuer Mega-Stausee soll Strom für Aluindustrie bringen. | Reykjavik. Island ist eines der wenigen Länder in denen die Versorgung mit Energie kein Problem darstellt. Im Gegenteil, die 103.000 km² große Insel unter dem Polarkreis verfügt sogar über einen gewaltigen Energieüberfluss. Es existieren schier unerschöpfliche Geothermie und Wasserkraftreserven. Doch diese können die 288.000 Einwohner niemals nutzen.
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Auch endete die Idee zur Verlegung eines unterirdischen Stromkabels nach England und Norwegen in der Schublade. Die Wirtschaftsexperten des Landes ersonnen indes die andere Art des Stromexportes: Energieintensive Industriebetriebe auf die Insel locken. Nach langen Verhandlungen gelang es kanadische (Alcan), amerikanische und norwegische Aluminiumkonzerne (Alcoa, Norsk Hydro) davon zu überzeugen, dass sie australisches Bauxit mittels billigem isländischem Strom nirgendwo günstiger verarbeiten können. Sie schlossen Standorte in den USA und Europa (Deutschland, Norwegen) und verlagerten die Produktion nach Island.
Aluminium ersetzt Fischfang
Damit wurde Aluminium zum zweitwichtigsten Wirtschaftszweig für die Isländer. Denn der Fischfang - immer noch Nummer eins - verliert zunehmend an Bedeutung. Als drittes Standbein gilt die High-Tech-Industrie. Prothesen oder Roboter, die Fische zerlegen und verarbeiten, haben sich als isländische Exportschlager erwiesen.
Alcoa wird an der Ostküste am Rand der eisfreien Bucht von Reydarfjordur ein großes Aluwerk errichten. Damit dem US-Konzern niemals der Strom ausgeht, wird soeben im isländischen Hochland - nördlich des Vatnajökull, des größten europäischen Gletschers - auf 838 Meter Höhe ein Staudamm errichtet. Die Wassermassen in der Karahnjukar-Schlucht sollen zu einem etwa 20 km langen See gestaut werden. Entstehen wird damit das größte Wasserkraftwerk Europas mit einer Leistung von 700 MW, das ab 2008 pro Jahr etwa 4,6 Terawattstunden Strom erzeugt.
Die Kosten belaufen sich auf eine Mrd. Euro. An der Baustelle sind etwa 1900 Menschen beschäftigt. Der überwiegende Teil kommt aus dem Ausland. Etwa 500 Chinesen versuchen ihr Glück. Denn sie können wegen der isländischen Mindestlöhne in zwei Jahren ebenso viel verdienen, wie sie in China erst nach 25 Jahren hätten.
Doch das Megaprojekt ist umstritten. Biologen und Umweltschützer sprechen von einer Vergewaltigung der Natur. Thora Thorhallsdottir, Biologieprofessorin aus Reykjavik, kämpft gegen das Projekt: "Der einzige Grund für die Vergewaltigung der Karahnjukar-Schlucht ist die Gier der Aluminium-Industrie nach billigem Strom." Sie weist auf die nützliche Funktion der Schlucht fürs isländische Klima hin und warnt davor, dass der Stausee die Bodenerosion in der Region begünstigt. Weiters erklärt die Biologin, dass die Fäulnis in riesigen Stauseen viel Methan produziert. Die Erosion ist in Island das größte Umweltproblem. Durch die exzessive Rodung in vergangenen Jahrhunderten und die Schafzucht gibt es kaum noch Bäume. Nur noch 1,5% der Insel sind bewaldet. Der starke Wind trägt die Erde davon.
Probleme bei der Errichtung beklagt auch ein deutscher Ingenieur: "Wir mussten darauf achten, dass keine Elfen gestört werden."
Die Isländer, die von der Existenz von Elfen und Trollen überzeugt sind, haben sogar eine von der Regierung bestellte Elfenbeauftragte. Und diese musste die Bautrasse zuererst einmal absegnen.