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Island zeigt Grenzen der Ratingagenturen auf

Von Stefan Meisterle

Wirtschaft

Bonitätsnoten verlieren an Relevanz


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Reykjavík. Isländische Anleihen sind Schrott, sind sich die Ratingagenturen Moody's, Fitch und Standard & Poor's bei ihren Bewertungen einig. Die Investoren juckt das kaum - sie reißen Island die Anleihen geradezu aus den Händen.

Als das durch die Krise seiner Banken schwer getroffene Land  vergangenes Monat erstmals seit drei Jahren eine Anleihe über eine Milliarde Dollar am Markt platzierte, schlugen Investoren alle Warnungen der Ratingagenturen in den Wind. Und sorgten dafür, dass die zweifach überzeichnete Auktion für Island ein voller Erfolg wurde - bei dem für Reykjavík durchaus akzeptablen Zinssatz von 4,993 Prozent.

"Bewertungen weniger relevant"
In Island kann man von verspäteten Erkenntnissen der Ratingagenturen schon länger ein Liedchen singen. Während Moody's & Co. die Genesung des nordwesteuropäischen Landes dieses Mal nicht erkennen wollen, hatte man 2008 ins andere Extrem tendiert - und von der Pleite der isländischen Banken, die den Staat in höchste Bedrängnis brachte, nichts  geahnt. Noch fünf Monate vor dem Bankenkollaps war Island bei Moody's noch mit der Bestnote "Aaa" bedacht worden, erinnert sich der Ökonom Valdimar Armann gegenüber "Bloomberg".

Bei der jüngsten Auktion isländische Anleihen hätten die Märkte diese Fehleinschätzung hingegen korrigiert: "Wenn man den Erfolg dieser Auktion betrachtet, wird klar, dass Investoren ihre eigenen Zahlen erstellen und dass die Bewertungen der Ratingagenturen weniger relevant sind", so Armann.

Kaum einsichtige Ratingagenturen
Nach der erfolgreichen Rückkehr Islands auf den Markt ist von einer Einsicht von Seiten der Ratingagenturen jedoch weiterhin nichts zu bemerken. Gegenüber "Bloomberg" berief sich Moody's Kommunikationschef für die Region darauf, dass die Bewertung "eine Vielzahl von Faktoren, von denen nur einer der Zugang zu Anleihemärkten" berücksichtige. "Sollten sich die Dinge besser entwickeln als erwartet, kann die Bewertung nach oben gehen", stellte immerhin Paul Rawkins, Manager bei Fitch in London, in Aussicht. Dennoch müssen Unsicherheiten berücksichtigt werden, wie er sich gegenüber "Bloomberg" ausdrückte.

Unsicherheiten weisen die Aussichten für Islands Wirtschaft allerdings nur wenige auf. In diesem Jahr soll das Bruttoinlandsprodukt um 2,2 Prozent zulegen, das Defizit wird lediglich 1,4 Prozent betragen. Gegen eine bessere Bewertung Islands spricht folglich eigentlich nur wenig. Doch immerhin ist ja nicht ausgeschlossen, dass der Markt auch bei den nächsten Auktionen eine adäquatere Einschätzung treffen wird als die Ratingagenturen.