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Island zittert vor noch heftigeren Vulkanausbrüchen

Von Roland Knauer

Wissen

Wie Katastrophen dieser Art entstehen und warum Island ständig gefährdet ist. | Berlin. "Eigentlich ist die Eruption gar nicht so groß", erklärt Thomas Walter. Der Vulkanforscher vom Helmholtz-Zentrum Potsdam, dem Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) kennt einige Ausbrüche, die erheblich mehr Lava, Asche und Gase als der Eyjafjalla ausgeschleudert haben. | Auch der Sommer kann baden gehen


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Als dieser Vulkan auf Island am Mittwoch, 14. April 2010, zum zweiten Mal innerhalb von vier Wochen Feuer spuckte, trugen allerdings außergewöhnlich starke Höhenwinde die ausgeschleuderte Asche in 24 Stunden bis Mitteleuropa.

Die Geschichte der massenhaften Flugausfälle beginnt tief im Erdinneren. Dort gleiten gigantische Platten, die ganze Kontinente oder Ozeane auf ihrem Rücken tragen, mit einem Tempo von wenigen Zentimetern im Jahr über die tieferen Gesteinsschichten der Erde. Eine dieser Platten trägt den östlichen Teil des Nordatlantik, Europa und große Teile Asiens langsam nach Osten, eine andere Platte mit Nordamerika, Grönland und dem westlichen Nordatlantik driftet langsam nach Westen. Zwischen diesen Platten entsteht so ein langer Graben, der sich von Nord nach Süd in vielen Kilometer Tiefe unter Wasser durch den Atlantik zieht. Dort steigt Gestein aus ungefähr hundert Kilometern Tiefe langsam auf, wird dabei zunehmend flüssig und tritt als Magma aus dem Graben aus.

Mit der Zeit bildet diese Lava ein richtiges Vulkangebirge am Rande des Grabens, das Geoforscher als mittelatlantischen Rücken bezeichnen. Die Gipfel dieser Kette aber liegen immer noch tief unter der Meeresoberfläche. Weil diese Eruptionen in der Tiefsee passieren, können auch Vulkanforscher wie Thomas Walter sie nur selten beobachten.

Hot Spot im Nordatlantik

Im Nordatlantik aber gibt es ein wenig südöstlich von Island einen sogenannten "Hot Spot", erklärt Walter. Dort steigt im Erdinneren Gestein aus rund 400 Kilometern Tiefe auf und wölbt den Untergrund in die Höhe. Solche Hot Spots gibt es zum Beispiel auch unter Hawaii oder den Galapagos-Inseln im Pazifik. Dort quellen auf einer relativ kleinen Fläche so große Lavamengen aus dem Untergrund, dass die Vulkane irgendwann bis über den Meeresspiegel hinaus wachsen.

Der Hot Spot im Nordatlantik wird vom aufquellenden Gestein des mittelatlantischen Rückens noch weiter verstärkt. Daher haben die Vulkane dort die große Insel Island aus dem Wasser gehoben, auf der Vulkanologen aus aller Welt den mittelatlantischen Rücken live beobachten können.

Vulkanausbrüche sind in Island an der Tagesordnung, auch die Eruption des Eyjafjalla kündigte sich seit mehr als einem Jahrzehnt an: "Seit 1997 wölbt sich dort die Erde langsam nach oben, dort steigt Magma aus der Tiefe auf", erklärt Thomas Walter.

Irgendwann kommt es dann zu einer Eruption. Da sich über dem Vulkan der Gletscher Eyjafjallajökull wölbt, muss sich der Ausbruch erst einmal durchs Eis fressen. Dieses Zusammenspiel von Eis, Wasser und Lava aber macht die Vulkane Islands besonders gefährlich. So bilden sich unter dem Gletscher Seen. Brechen die Eiswände, die das Wasser am Ausfließen hindern, schießt plötzlich eine Flutwelle talwärts, die neben Wasser sehr viel Gestein, Asche und andere Feststoffe enthält. Diese "Lahare" lösen oft viel größere Katastrophen als die eigentliche Eruption aus.

Beim Ausbruch des Eyjafjallajökull am Mittwoch lag obendrein ein Band mit heftigen Winden, die normalerweise weiter im Norden stürmen, genau über Island. Mit Geschwindigkeiten nur wenig unter 400 Kilometern in der Stunde blies dieses Sturmband die Asche aus dem Vulkan dann im Eiltempo nach Nord- und Mitteleuropa, wo der Islandstaub den Flugverkehr teilweise lahmlegte.

Sorge bereitet den Isländern freilich noch ein ganz anderer Zusammenhang. "In historischer Zeit brach einige Monate nach dem Eyjafjalla auch immer der erheblich größere Katla-Vulkan aus", berichtet Thomas Walter. Der aber liegt unter einer viel dickeren Eisdecke als sein kleinerer Nachbar und könnte daher viel stärkere Schäden auslösen, weniger im internationalen Flugverkehr, sondern auf Island selbst. Die Menschen auf der Insel denken mit Schrecken an den Ausbruch des benachbarten Laki im Jahr 1783, dem damals direkt und indirekt zwanzig Prozent der Isländer zum Opfer fielen.

Wenn Vulkanstaub aus Island bis nach Mitteleuropa weht, trübt die Asche nicht nur die Sicht, sondern macht vor allem den Triebwerken moderner Flugzeuge Probleme. Das weiß man seit den 1980er Jahren, daher wird der Flugverkehr in solchen Aschewolken seither eingestellt.