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Islands Beitrittsgesuch zur EU

Von Waldemar Hummer

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Waldemar Hummer ist Universitätsprofessor für Europa- und Völkerrecht an der Universität Innsbruck. Foto: privat

Mitte Juli beschloss das isländische Parlament nach einer einwöchigen Debatte und nach fünf Verschiebungen der Abstimmung die Einbringung eines Beitrittsgesuchs zur EU.


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Mit der äußerst knappen Mehrheit von 33 der 63 Abgeordneten - bei 28 Gegenstimmen und zwei Enthaltungen - stimmte das Althing, das isländische Parlament, am 16. Juli für einen Antrag auf Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der EU. Zuvor war der Antrag der Opposition abgelehnt worden, die Stellung des Beitrittsgesuches an ein Referendum der isländischen Bevölkerung zu knüpfen. Meinungsumfragen unter den 320.000 Isländern hatten ergeben, dass eine Mehrheit zwar die Aufnahme von Gesprächen mit der EU befürwortet, zugleich aber der Meinung ist, dass diese nicht unbedingt mit einem Beitritt enden müssten. Finanzminister Sigfusson brachte die Stimmung in der Bevölkerung auf den Punkt: "Man könnte sagen, dass die Isländer den Euro wollen, nicht aber die EU".

Ein solches Szenario einer "einseitigen Euroisierung" im Sinne einer alleinigen Übernahme des Euro ohne gleichzeitigen Beitritt zur EU ist an sich für Drittstaaten - fünf europäische (Klein-)Staaten (Andorra, Monaco, San Marino, Staat der Vatikanstadt, Montenegro) haben bereits den Euro als Landeswährung übernommen - nicht aber für Beitrittswerber möglich. Diese haben nämlich die Verpflichtung, die fünf Konvergenzkriterien zu beachten, von denen eines den ungestörten Verbleib während zweier Jahre im Wechselkursmechanismus im Europäischen Währungssystem verlangt. Dabei darf der Wechselkurs der nationalen Währung nicht übermäßig schwanken (+/- 15 Prozent), und die Währung darf von sich aus nicht abgewertet werden. Da aber Island am kommenden Außenministerrat vom 27. Juli einen Beitrittsantrag stellen wird, ist es damit nicht mehr in der Lage, als bloßer Drittstaat den Euro zu übernehmen. Da sowohl die Europäische Kommission als auch die schwedische EU-Präsidentschaft bereits im Vorfeld des Beitrittsantrags positiv reagiert haben, ist mit einer baldigen Aufnahme der Beitrittsverhandlungen zu rechnen. Als EWR-Mitgliedstaat hat Island seine Rechts- und Wirtschaftsordnung bereits in vielen Bereichen EU-konform ausgestaltet, sodass schätzungsweise 20 von 35 Verhandlungskapitel bereits abgehakt werden können. Obwohl ein EU-Beitritt für die isländische Wirtschaft eine Reihe von Problemen aufwerfen würde - Fischereirechte, kommerzieller Walfang, Subventionierung des Landwirtschaftssektors, Ausgestaltung des isländischen Sozialsystems, Handhabung der öffentlichen Dienste etc. - kann daher mit dem Abschluss der Beitrittsverhandlungen 2011 bzw. 2012 gerechnet werden. Danach müsste in Island allerdings noch ein Referendum über den Beitritt stattfinden, dessen Ausgang aus heutiger Sicht völlig offen ist.

Sollte dieser Kalender eingehalten werden, könnte Island nicht nur der 29., sondern vielleicht sogar schon der 28. Mitgliedstaat der EU werden, falls es Kroatien bis dahin nicht gelingt, seinen Territorialstreit mit Slowenien im Mündungsgebiet des Grenzflusses Dragonja und in der Bucht von Piran zeitgerecht beizulegen. Mit dem nächsten Beitritt zur EU ist aber auch ein anderes Problem verbunden, nämlich die Verankerung eines Protokolls, in dem die Zugeständnisse, die am Europäischen Rat vom 18./19. Juni Irland gegenüber gemacht wurden, EU-rechtlich verbindlich verankert werden sollen. Ganz gleich, ob der nächste Beitritt Kroatien oder Island betrifft, er kommt auf jeden Fall zu spät, um den Iren im Zeitpunkt ihrer Volksabstimmung am 2. Oktober eine volle juristische Absicherung der ihnen gewährten Konzessionen zu geben.