Suva - Fidschi erscheint wie das Paradies auf Erden, doch der Inselstaat im Südpazifik musste eine schmerzhafte Lektion lernen: Weißer Sand und Korallenriffe können die Angst vor bewaffneten Rebellen nicht besänftigen. Die Wirtschaft der | Fidschi-Inseln mit ihren drei Säulen Tourismus, Zuckeranbau und Textilproduktion liegt brach, seit die Putschisten um Anführer George Speight am 19. Mai das Parlament stürmten und Ministerpräsident Mahendra Chaudhry samt seinem Kabinett als Geiseln nahmen.
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In den Fünf-Sterne-Hotels der Inselkette bleiben die Liegestühle leer. In den Textilfabriken der Hauptstadt Suva werden die Arbeiter nach Hause geschickt, wenn wieder einmal Gerüchte über eine geplante Plünderung der Gebäude laut werden. "Wir kommen gerade in die Hochsaison, und eigentlich sollten wir diese Woche ausgebucht sein", sagte Paul Sothey, der Manager des Central Pacific Harbor, einem Hotel an der Coral Cost, 50 Kilometer westlich von Suva. "Stattdessen haben wir eine Belegung von 35 Prozent." Im vergangenen Jahr besuchten fast eine halbe Million Touristen Fidschi, die meisten kamen aus Australien, Neuseeland und den Vereinigten Staaten.
Das Statistische Büro des Inselstaates erklärte, die Besucher hätten etwa 500 Millionen Fidschi-Dollar für Hotels ausgegeben. Hinzu kommen weitere Ausgaben für Tauchkurse, Bootstouren, Restaurants und Souvenirs. Doch die Geiselnahme im Parlament nimmt kein Ende.
Rebellenführer Speight will seine mehr als 30 Geiseln erst freilassen, wenn er eine neue Regierung ernennen kann. Die Streitkräfte übernahmen eine Woche nach Beginn der Krise die Kontrolle und wollen Speight und seine Anhänger auf keinen Fall mit Befugnissen ausstatten. Sie haben ihm jedoch im Gegenzug für eine Freilassung der Geiseln Amnestie angeboten. Speight vertritt nach eigener Aussage die Interessen der eingeborenen Filipinos. Er fordert, dass Angehörige der indischen Minderheit keine politischen Ämter übernehmen dürfen.
Seit dem 19. Mai ist die Zahl der ankommenden Touristen auf dem internationalen Flughafen in Nadi auf 200 pro Tag zurückgegangen. "Eigentlich sollten es 1.800 am Tag sein", sagte Hotelmanager Southey. Die Stornierungen schossen in den vergangenen drei Wochen in die Höhe, aber Southey macht sich mehr Sorgen um das Fehlen neuer Buchungen. Er erklärte, die eigentlichen Schäden verursachten Reisebüros, die Fidschi nun nicht mehr als Reiseziel empfehlen. Schließlich konkurriert der Südseestaat mit einem Dutzend anderer pazifischer Paradiese in der Welt.
Doch nicht nur der Tourismus steckt in der Krise. Geschäftsleute und Wirtschaftsexperten erklärten, die gesamte Wirtschaft auf Fidschi sei gelähmt. Die wichtigsten Handelspartner Australien, Neuseeland und die Europäische Union drohten Sanktionen an, falls die Demokratie nicht schnell wiederhergestellt wird, was die Wirtschaft langfristig hemmen könnte. Der Zuckerexport und die Textilindustrie bringen jährlich etwa 350 Millionen Fidschi-Dollar ein.
Der Wirtschaftswissenschaftler David Forsyth befürchtet, die EU könne wie angedroht ein Abkommen aussetzen, nach dem sie den dreifachen Marktpreis für den Zucker aus Fidschi bezahlt. Viele der 25.000 meist indischen Zuckerrohrfarmer könnten ihre Kosten nicht mehr decken und müssten das Land verlassen. Weitere 2.000 Saisonkräfte würden ihre Arbeit verlieren. "Zucker ist das Rückgrat von Fidschi", sagte der Direktor der Vereinigung der Zuckerbauern, Umesh Prasad. Die Ernte in diesem Jahr ist längst reif, doch die Bauern wollen nicht arbeiten, bis Chaudhry, der erste indische Ministerpräsident, und die anderen Geiseln freikommen.
Die Textilindustrie boomt seit Beginn der 90er Jahre, als Australien sich bereit erklärte, Kleidungsimporte aus Fidschi bevorzugt zu behandeln. Wegen der niedrigen Produktionskosten kamen ausländische Hersteller nach Fidschi, um den australischen Markt zu erobern. Falls Australien das Abkommen aussetzen sollte, wären bis zu 20.000 Arbeitsplätze in Gefahr. Speight, der nach eigenen Angaben von den meisten Filipinos unterstützt wird, erklärte, er erwarte internationale Kritik an seinem Putsch. Doch die Filipinos seien bereit, für die politische Vorherrschaft in ihrem Land den Preis der internationalen Isolation zu zahlen.