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Israel - die demokratische Oase und ihre demokratischen Bedrohungen

Von Georg Friesenbichler

Analysen

Die treuesten Verbündeten hat Ägyptens Präsident Hosni Mubarak nicht mehr im eigenen Volk. Während in seiner Heimat zehntausende Menschen gegen das verhasste Regime auf die Straße gehen, kommen aus dem Nachbarland Israel Sätze wie: "Wir können ohnehin nichts tun, außer Mubarak unserer Unterstützung zu versichern und darauf zu hoffen, dass die Geschehnisse in Ruhe an uns vorüberziehen."


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Das ist freilich keine offizielle Stellungnahme Israels. Das Außenministerium betont lediglich, dass man sich nicht in die inneren Angelegenheiten des Nachbarlandes einmischen wolle - wohl wissend, dass eine andere Stellungnahme den Konflikt in Ägypten nur weiter anheizen würde.

Der, der diesen Satz gesagt hat, hat aber seit kurzem kein Ministeramt mehr inne und kann offen sprechen. Benjamin Ben-Eliezer, der als anti-palästinensischer Falke in der Arbeiterpartei gilt, hat seinen Posten als Infrastrukturminister im Zuge der Parteispaltung durch Ehud Barak verloren. Seine Aussage deckt sich jedoch mit der Einschätzung der politischen Elite Israels.

Seit 1979 mit Ägypten offiziell Frieden geschlossen wurde, herrscht zwischen beiden Ländern eine friedliche Koexistenz ohne innige Beziehungen. Dieser "kalte Friede", wie er gerne bezeichnet wird, stünde bei einem Sturz Mubaraks auf dem Spiel. Denn die ägyptischen Muslimbrüder würden den Friedensvertrag aufkündigen. Und diese islamistische Gruppierung wird von den Israelis als diejenige betrachtet, die am ehesten vom Sturz des Regimes profitieren könnte.

Die Vereinigung ist offiziell verboten, war aber bis vor kurzem mit "unabhängigen" Mandataren im Parlament vertreten. Aber obwohl die manipulierten Wahlen Ende 2010 den Verlust aller Mandate bedeuteten, übte die Muslimbruderschaft bisher Zurückhaltung gegenüber Mubarak. Erst seit 20 ihrer Mitglieder verhaftet wurden, ruft sie nun zur Teilnahme an den Protesten auf.

Obwohl sich Ägyptens Islamisten also bisher eher gemäßigt gaben, herrscht in Israel die Angst vor einer ägyptischen Kooperation mit der radikalen Hamas im Gaza-Streifen. Und deshalb wünscht sich die Führung in Jerusalem, ebenso wie die USA, dass der 82-jährige Mubarak an der Macht bleibt oder zumindest einer seiner Gefolgsleute die Diktatur fortführt. An Demokratie bei den Nachbarn herrscht in dem Staat, der sich selbst immer als die einzige demokratische Oase in der Region preist, also nur gedämpftes Interesse.

Dabei hat die israelische Demokratie selbst mit jüdischem Fundamentalismus zu kämpfen. Die Linke liegt am Boden, die Ultraorthodoxen, die rund zehn Prozent der Bevölkerung stellen, bestimmen entscheidend die Politik der Regierung. Sollte sich entgegen den Erwartungen die weltoffene Jugend, die die Proteste trägt, in den arabischen Ländern durchsetzen, könnte Israel bald fundamentalistischer sein als die gefürchteten Nachbarn.