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Die Todesopfer bei der Kaperung des Flaggschiffs der Gaza-Hilfsflotte sind für Israel ein Desaster. Der weltweite Aufschrei über das brutale Vorgehen übertönt jene Stimmen, die ernsthaft fragen, was auf dem türkischen Passagierschiff "Marmara" in der Nacht zum Montag tatsächlich passiert ist. Israelische Soldaten erzählen, dass sie bewaffneten und organisierten Gruppen gegenübergestanden sind. "Die waren alles Mögliche, nur keine Friedensaktivisten", sagte einer, der dabei war.
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Dass die Situation auf dem Schiff außer Kontrolle geriet, ist für die Friedensbemühungen im Nahen Osten eine Katastrophe. Für Israel ist es außenpolitisch ein Desaster, weil das Land nun einen wichtigen Bündnispartner in der Region verliert, die Türkei. Arabische Länder sprechen im ersten Zorn gar von Krieg. Und Premier Netanyahu spielte oft die unsympathische Rolle des Unnachgiebigen.
Doch Israel hat ein Recht auf Selbstverteidigung, und die im Gaza-Streifen regierende Hamas anerkennt seine Existenz nicht. Waffen auf einem Schiff, das offiziell Hilfsgüter in den (gesperrten) Hafen von Gaza bringen will? Das geht ja wohl auch nicht.
Die israelische Regierung wird einer - von der EU und den USA geforderten - Untersuchungskommission zustimmen müssen. Nur so lässt sich glaubwürdig dokumentieren, was passiert ist. Den Kampf um die öffentliche Meinung haben die Israelis vermutlich verloren. Jetzt geht es darum, sie auf die politische Bühne zurückzubringen.
Die Untersuchung sollte so rasch wie möglich über die Bühne gehen, denn die Eskalation der Worte im Nahen Osten ist beunruhigend. Alle wissen, was passieren wird: Die Attentate auf Israel werden noch häufiger, die Grenzen - vor allem in die Palästinenser-Gebiete - noch dichter gemacht.
Wenn jemand die Entspannung im Nahen Osten torpedieren wollte, hätte er kein anderes Szenario herbeigeführt als das jetzige. Es entspricht nicht ihrem Stil, und es ist vielleicht nicht gerecht, aber nun muss Israels Regierung besonnen agieren. Sonst wird die Gewalt auf der "Marmara" der Todesstoß für die Nahost-Friedensbemühungen sein. Und noch mehr Menschen werden sterben.