Zum Hauptinhalt springen

Israel hat seine "Rosa Parks"

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Ultra-Orthodoxer sorgte für Eklat, musste sich aber geschlagen geben.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Jerusalem. Der US-Nachrichtensender CNN verglich die 28-jährige Tanya Rosenblit am Montag mit der schwarzen Bürgerrechtlerin Rosa Parks, die sich am 1. Dezember 1955 in Montgomery/Alabama geweigert hatte, ihren Sitzplatz in einem öffentlichen Bus für einen weißen Fahrgast zu räumen.

Tanya Rosenblit wollte letzten Freitag mit dem öffentlichen Bus von der Küstenstadt Ashdod zu einem beruflichen Termin nach Jerusalem fahren. Sie war der erste Passagier und setzte sich auf den Platz hinter dem Fahrer. Auf ihrer Facebook-Seite, die in der Zwischenzeit nicht mehr erreichbar ist, schildert Rosenblit, was dann geschah: "An der nächsten Haltestelle stiegen orthodoxe Juden zu. Am Anfang starrten sie nur auf mich, sagten aber nichts und nahmen irgendwo im Bus hinter mir Platz. Ein Passagier blieb auf den Stufen neben dem Fahrer stehen, obwohl genügend Plätze im Bus frei waren. Ich kümmerte mich nicht darum, sondern konzentrierte mich auf die Musik aus meinen Kopfhörern. Dann stieg noch einer ein, er blieb aber so stehen, dass der Fahrer die Tür nicht schließen konnte. Er schaute mich verachtungsvoll an und als ich die Kopfhörer abnahm, hörte ich, wie er mich ,Schickse nannte. Er verlangte, dass ich mich hinten in den Bus setze, denn jüdische Männer könnten nicht hinter einer Frau sitzen. Ich weigerte mich."

Anschließend entspann sich eine Debatte zwischen dem Fahrer und dem Mann, der sich weigerte, den Bus losfahren zu lassen. Schließlich rief der Buschauffeur die Polizei.

"In der Zwischenzeit formierte sich außerhalb des Busses von seinem Geschrei angezogen eine Menge. Ich bekam Angst. Da waren etwa 20 von ihnen, alle schwarz gekleidet. Die meisten waren nur Neugierige, aber sie standen definitiv auf seiner Seite", schildert Tanya Rosenblit die sich zuspitzende Situation.

Als die Polizei kam, sprach sie zuerst mit dem Fahrer und dann mit dem Verursacher der Angelegenheit. Schließlich fragte ein Polizist Rosenblit, ob sie bereit sei, die Orthodoxen zu respektieren und in den hinteren Teil des Busses zu gehen. "Ich antwortete, dass ich sie genug respektierte, indem ich dezente Kleidung trug, da ich ja wusste, dass ich in ein orthodoxes Viertel fuhr, aber ich würde mich nicht von denen erniedrigen lassen, die nicht einmal ihre eigenen Mütter und Frauen respektieren", berichtet Rosenblit auf ihrer Facebook-Seite.

Schließlich verließ der Mann den Bus, während die übrigen Passagiere den Bus bestiegen und sich in die Reihen hinter der jungen Frau setzten - bis auf den einen, der auf den Stufen sitzen blieb und während der ganzen Fahrt betete, weil er nicht hinter einer Frau sitzen wollte.

Rosenblits Geschichte wurde von den großen israelischen Medien aufgegriffen. Die auflagenstarke Zeitung "Yedioth Ahronot" brachte einen Artikel mit dem Titel "Sie werden mir nicht sagen, wo ich sitzen soll" auf Seite 1. Am Sonntag ging Premierminister Benjamin Netanyahu den Fall sogar in der Kabinettssitzung zur Sprache. Man habe bis jetzt darin übereingestimmt, dass man in Frieden und gegenseitigem Respekt aller Teile der israelischen Gesellschaft leben wolle. In jüngster Zeit gebe es aber Versuche, diese Koexistenz zu zerstören, und dem sei entschieden entgegenzutreten.

Auch Oppositionsführerin Tzipi Livni stellte sich hinter Tanya Rosenblit und bezeichnete sie als Symbol der Bestimmtheit gegen eine antidemokratische Radikalisierung, mit der Frauen aus dem öffentlichen Raum gedrängt werden sollen.

Ein Sprecher der betroffenen Buslinie sagte, dass sich ähnliche Zwischenfälle in der letzten Zeit häufen.