G-8 fordern Einstellung der Kampfhandlungen | Drohgebärden der Hisbollah | Israel übermittelt Bedingungen an den Libanon | Sicherheitsrat tagt am Montag | Die israelische Armee hat am Sonntag alle Zivilisten im Südlibanon aufgefordert, die Region zu verlassen. Tausende machten sich in Minibussen und Lastwagen auf die Flucht. Der kommandierende General des israelischen Nordkommandos, Udi Adam, kündigte baldige heftige Angriffe an. Die Hisbollah erklärte, dass sie über neuartige Raketen mit größerer Reichweite verfüge. "Unsere Kämpfer haben Raketen vom Typ Raad 2 und Raad 3 auf Haifa gefeuert", hieß es in einer Erklärung. Die ersten Raketen vom Typ Raad (Donner) wurden 2004 im Iran hergestellt.
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Die libanesische Regierung hat nach eigenen Angaben durch italienische Vermittlung die Bedingungen Israels für eine Einstellung seiner Militäroffensive erhalten. Israel fordere die Freilassung der von der Hisbollah entführten israelischen Soldaten und den Rückzug der schiitischen Miliz von der gemeinsamen Grenze, teilte die Regierung in Beirut am Sonntag mit. Die Zahl der Toten im Libanon seit Beginn der Offensive am Mittwoch ist auf mehr als 100 gestiegen. Nach Raketenangriffen auf Haifa mit neun Toten hat die Hisbollah Israel mit weiteren Schlägen "im ganzen Land" gedroht. Der israelische Regierungschef Ehud Olmert kündigte nach dem Angriff auf Haifa "weit reichende Folgen" für den Libanon an.
G-8-Erklärung vom Sonntag
Nach stundenlangem Ringen haben sich die Staats- und Regierungschefs der G-8 auf eine gemeinsame Nahost-Erklärung geeinigt. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte dazu am Sonntag beim Gipfel der größten sieben Industrienationen und Russland in St. Petersburg, damit habe die G-8 gezeigt: "Wir lassen uns nicht auseinander dividieren."
In der Erklärung wird laut Merkel die Freilassung der entführen israelischen Soldaten und die Einstellung der Angriffe auf Israel gefordert. Auch Israel wird zur Einstellung seiner Militäraktionen aufgeordert. Zudem erklären die G-8 ihre Unterstützung für die libanesische Regierung.
Zu der Unterstützung, die der Libanon nach Ansicht der G-8 erhalten solle, gehöre auch eine zusätzliche Beobachtermission im Süden dieses Landes: "Wir sind fest davon überzeugt, dass der libanesischen Regierung jegliche Art von Unterstützung gegeben werden soll, um die UNO-Resolutionen zum südlichen Libanon umzusetzen. Wir fordern, dass zusätzlich zu den UNO-Aktivitäten, eine zusätzliche Beobachter- und Sicherheitsmission aufgestellt wird. Das muss durch die UNO geschehen", sagte Merkel gegenüber Journalisten.
Sicherheitsrat
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat für Montag in New York eine neue Beratungsrunde zur Lage im Libanon angesetzt. Die von der Regierung in Beirut geforderte Waffenstillstands-Resolution wird es nach den Worten des amtierenden Ratspräsidenten Jean-Marc de La Sabliére (Frankreich) vorerst nicht geben. Vielmehr will sich das höchste Entscheidungsgremium der UNO über die Entwicklung in der Region und die Bewegungsfreiheit seiner Beobachtermission UNIFIL informieren lassen.
Der Ratsvorsitzende de La Sablière begründete die Zurückhaltung damit, dass die Lage im Libanon derzeit auch auf dem G-8-Gipfel in St. Petersburg sowie beim Krisentreffen arabischer Außenminister in Kairo behandelt werde. Der Sicherheitsrat werde sich später ganz generell "mit der Substanz" des Konflikts beschäftigen.
Hisbollah droht, Khamenei lobt
Der Führer der schiitischen Hisbollah-Miliz, Scheich Hassan Nasrallah, hat angekündigt, Israel "mit allen Mitteln" zu bekämpfen. Die Bombardierung der israelischen Hafenstadt Haifa sei erst der Anfang gewesen. "Wir haben mehr Waffen als ihr denkt", drohte Nasrallah am Sonntag in einer Rede im libanesischen TV.
Die Hisbollah hat in der vergangenen Tagen erstmals Haifa mit Raketen angegriffen, die Raffinerien und chemischen Fabriken in der Bucht von Akko allerdings verfehlt. Ein Treffer in der Reparaturwerkstatt de Hauptbahnhofs hatte jedoch acht Todesopfer zur Folge.
Es gebe "keine rote Linie" mehr für das Vorgehen der Hisbollah, es werde "Überraschungen" geben. Es war das erste Mal seit der israelischen Bombardierung des Hisbollah-Hauptquartiers im Süden von Beirut, dass sich Nasrallah zu Wort meldete. Zuvor hatte es Gerüchte gegeben, er sei bei den Angriffen verletzt worden.
Irans oberster geistlicher Führer Ayatollah Ali Khamenei hat am Sonntag die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah für ihren Kampf gegen Israel gelobt und ihr den Sieg vorausgesagt. "Die Zionisten wollten mit dem Libanon tun, was sie wollten (...), aber dank der Stärke der Hisbollah hat der libanesische Widerstand den Traum der Zionisten zerstört", sagte Khamenei in einer vom iranischen Staatsfernsehen übertragenen Ansprache. Die Hisbollah werde ihre Waffen nicht niederlegen, fuhr Khamenei fort. "Das libanesische Volk kennt den Wert der Hisbollah."
Zerstörung in Beirut, Kritik an der Hisbollah
Das Schiitenviertel im Süden der libanesischen Hauptstadt Beirut ist eines der Hauptziele der israelischen Angriffe. Das neunstöckige Gebäude, in dem die Hisbollah ihren Sitz hatte, ist fast vollständig zerstört, ebenso wie das Wohnhaus des Hisbollah-Chefs Scheich Hassan Nasrallah.
Vor allem in den christlichen Vierteln der Stadt wächst unterdessen die Wut auf die Schiitenmiliz, die die israelischen Angriffe provoziert hat. "Was haben sie unserem Volk angetan!", sagt Georgette Hadad, die am Sonntagmorgen auf dem Weg zur Kirche ist. "Sie sagen, sie wollen Krieg. Aber es sind nicht ihre Kämpfer, die sterben, sondern die Menschen hier."
Die libanesische Regierung hat ihren Bürgern wenig Mut zusprechen können. Ministerpräsident Fouad Siniora kritisierte indirekt die Aktion der Hisbollah und betonte das alleinige Recht der Regierung, über Frieden und Krieg zu entscheiden. Doch diese Aussage kam in den Augen vieler Libanesen zu spät. Am Ende seiner Fernsehansprache standen ihm Tränen in den Augen. "Der Libanon wird sich nicht unterkriegen lassen", sagte er und wiederholte es gleich mehrfach.