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Israel: High-Tech statt Orangen

Von Claudia Peintner

Wirtschaft
Das israelische Startup PrimeSense erfand einen Bildschirm, der mit Handbewegungen gesteuert wird. Foto: ap

Mit Einwanderern und Militärimpulsen zur IT-Schmiede. | Die Handy-Mailbox und der USB-Stick von "Silicon Wadi". | Wien. An der schmalsten Stelle ist Israel nur 20 Kilometer breit, wirtschaftlich fruchtbar ist der Boden jedoch allemal. Entlang der Küste zwischen Tel Aviv und Haifa tummeln sich mehr als 3000 junge Hightech-Unternehmen. Es ist die Erfolgsgeschichte von "Silicon Wadi" (hebräisch: Trockental), einer Fläche nicht größer als Niederösterreich.


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In Bezug auf Hightech kann das 7,6-Millionen-Einwohnerland locker mit dem kalifornischen Pendant "Silicon Valley" mithalten: Neben den USA hat kein anderes Land der Welt so viele Unternehmen an der New Yorker Technologiebörse Nasdaq notiert. Erfindungen wie der USB-Stick, das Internet-Chatprogramm ICQ oder die Mailbox für Handys entstammen von israelischen Software-Schmieden. Große Unternehmen wie IBM, Intel, HP oder Motorola betreiben seit Jahren Forschungszentren im Mittelmeerstaat.

Getrieben von Exporten aus der Hochtechnologiebranche betrug Israels BIP-Wachstum 2010 rund 4,5 Prozent und lag damit über dem der USA (2,9), Deutschlands (3,6) sowie Österreichs (2,7). Der Wandel vom Agrarland - das bis in die 70er Jahre vor allem durch seine Orangenexporte der Sorte Jaffa bekannt war - zur High-Tech-Industrie ist kein Zufall.

Start mit dem Internet

"Anfang der 90er Jahre steckte Israel in einer ökonomischen Notlage, bedingt durch seien veraltete verstaatlichte Industrie und Hyperinflation. Die Regierung begab sich auf die Suche nach neuen Wirtschaftszweigen", berichtet Christian Lassnig von der Wirtschaftskammer-Außenhandelsstelle in Tel Aviv.

Die Fokussierung auf den IT-Sektor passte zur Zeit der frühen 90er: Einerseits steckten das Internet und die Mobiltelefonie in den Kinderschuhen und brachten viel Geschäftspotenzial mit sich. Andererseits wanderte seit dem Zusammenbruch des Ostblocks rund eine Million Russen nach Israel aus - 40 Prozent von ihnen waren Akademiker, insbesondere Ingenieure. Auf gut ausgebildete IT-Spezialisten kann das Land, das sich in dauernden politischen Konfliksituationen befindet, aber auch in den eigenen Reihen zurückgreifen: Impulse kommen vom Militärdienst, wo junge Leute seit Jahrzehnten technologisches Wissen erwerben und speziell für die Rüstungsindustrie forschen.

Viele der jungen High-Tech-Firmen sind heute nicht mehr unmittelbar auf die militärischen Bedürfnisse Israels ausgerichtet. Sie liefern auch Hochtechnologie für die Pharmazie, die Medizin und den Energiesektor.

Abverkauf in die USA

"Ist eine Idee entwickelt, muss sie Israel verlassen, weil der Markt zu klein ist", sagte der als IT-Guru in Israel bekannte Unternehmer Yossi Vardi kürzlich in einem Zeitungs-Interview. Gerade deshalb bauen sich fast alle Gründer ein enges Beziehungsnetz zu Partnern und Geldgebern in den USA auf. Neben staatlichen Förderungen - Israel liegt bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung mit 4,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes weltweit an der Spitze - fließen hohe Investitionsgelder über Venture-Kapital-Firmen ins Land.

Die Kehrseite der Medaille: "Es kommt immer wieder vor, dass ein erfolgreiches Startup von amerikanischen Platzhirschen wie AOL oder Facebook aufgekauft wird. Die besten Köpfe werden aus Israel nach Palo Alto abgezogen, die Forschungsstätte in Israel muss schließen", berichtet der WKO-Handelsdelegierte Lassnig.

Kein Geld für Energie

An seine Grenzen stößt das OECD-Mitglied Israel derzeit auch beim Aufbau eines weiteren Standbeins - der Alternativenergie. "Es gibt hier noch kaum erneuerbare Energie, aber viel Potenzial im Bereich Photovoltaik und Thermosolar", so Lassnig.

Das IT-Wunder lässt sich jedoch nicht so einfach auf den Energiebereich übertragen: Die Umsetzung einer Software-Idee ist mit einem Ingenieur und einem Computer schnell finanziert. Im Bereich grüne Technologie lassen die scheinbar risikofreudigen Investoren jedoch auf sich warten: "Es muss viel Geld in die Anlagen gesteckt werden, bis sie sich rentieren. Hier braucht es Unternehmen, die einen längeren Atem haben."