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"Israel in den Augen der Welt gedemütigt"

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Jerusalem/Rom - "Die Wahl unseres Parlaments, die verhindert hat, dass Shimon Peres Präsident wurde, ist ein wirklicher Skandal. In jedem anderen Land der Welt wäre ein Staatsmann vom Kaliber eines Peres im Triumph in eine solche Stellung gewählt worden" sagte Lea Rabin, die Witwe des 1995 ermordeten israelischen Premiers Jitzhak Rabin in einem Interview mit der italienischen Tageszeitung "la Repubblica".


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Lea Rabin, die sich nach der Wahl erschüttert zeigte, wies darauf hin, dass Shimon Peres einer der letzten Männer der israelischen Staatsgründergeneration ist, der die Militärarsenale des Landes aus dem Nichts aufgebaut hat, Berater von David Ben Gurion und Golda Meir war und die wichtigsten Regierungsämter des Landes - Premier, Außen- und Verteidigungsministerium - bekleidet hat. Schließlich sei er der engste Mitarbeiter ihres  ermordeten Mannes geworden als es darum ging, den Dialog zu den Palästinensern und den arabischen Nachbarn aufzunehmen.

"Wenige unserer Führer haben so viel für unser Land getan wie Peres", sagte Lea Rabin in dem Interview mit "la Repubblica".

Auf die Frage, warum Peres die Wahlen verloren habe, meinte Lea Rabin mit aller Schärfe: "Weil unsere Abgeordneten ihr Gewissen, ihre Intelligenz und ihr historisches Bewusstsein beiseitegeschoben und politischem Kalkül, kleinlichen Parteiinteressen und Parteilichkeit den Vorzug gegeben haben. Indem sie Peres als Präsidenten ablehnten, wollten sie eine Botschaft gegen den Frieden übermitteln, gegen die Verhandlungen, für die sich Shimon, mein Mann Jitzhak und jetzt ihr Nachfolger Ehud Barak so nachdrücklich eingesetzt haben. Vielleicht dachten die Konservativen auf diese Weise Peres, Barak und die Arbeiterpartei zu erniedrigen, aber meiner Meinung nach haben sie vor allem Israel in den Augen der Welt erniedrigt. Es ist belanglos, ob ein Israeli rechts oder links ist, aber er kann nicht einen Mann wie Peres als Präsident ablehnen. Wenn er das tut, wir er nur erreichen, dass unser Land diskreditiert wird."

Lea Rabin räumt in dem Interview ein, dass Ehud Barak gegenüber seinen Koalitionspartnern manchen Fehler begangen habe, dass die Koalition zu heterogen gewesen sei, um bestehen zu können, dass er zu selbstsicher gewesen sei und zuviel Macht konzentriert habe. Aber sie wünsche ihm, dass er durchhält und seine Regierung erneuern kann, vor allem wo jetzt das Ziel im Kampf um den Frieden in Sichtweite gerückt ist.

Der Mord an ihrem Mmann, der gescheiterte Gipfel von Camp David und jetzt die Niederlage von Peres seien gezielte Schläge gegen den Frieden und sei schwer angesichts all dessen optimistisch zu bleiben, sagte Lea Rabin. Aber die Alternative zum Frieden sei eine so große Tragödie, dass einem gar nichts anderes übrig bleibe, als weiter zu kämpfen, zu hoffen und zu beten.