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Israel: Nicht nur der Präsident muss sich mit der Justiz herumschlagen

Von Rainer Mayerhofer

Analysen

Neun von zehn Israelis sind mit ihren Politikern derzeit unzufrieden. Das ergab jüngst eine Umfrage eines angesehenen israelischen Meinungsforschungsinstituts. 60 Prozent der Befragten machen für die unstabilen politischen Verhältnisse im Land die Krise der Führungsschicht verantwortlich.


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Präsident Moshe Katzav ist wenige Monate vor Ablauf seiner Amtszeit rücktrittsreif, weil man ihm sexuelle Belästigung und Vergewaltigung früherer Mitarbeiterinnen vorwirft. Dabei hatte Katzav die Affäre selbst vor einigen Monaten mit einer Anzeige ins Rollen gebracht. Er versuchte sich gegen Erpressungsversuche zu wappnen und trat damit eine ganze Lawine von Beschuldigungen los. Vom Saubermann-Image, mit dem er vor sieben Jahren angetreten war, ist nichts übrig geblieben.

Katzavs inzwischen verstorbener Vorgänger Ezer Weizman war im Juli 2000 zurückgetreten, nachdem man ihm Steuerflucht und Korruption vorgeworfen hatte.

Ministerpräsident Ehud Olmert, der gerade einmal ein Jahr im Amt ist, steht unter Verdacht, vor zwei Jahren als Finanzminister beim Verkauf der staatlichen Mehrheitsanteile an der Leumi-Bank Insiderwissen zugunsten eines befreundeten Immobilienhändlers eingesetzt zu haben.

Sein Vorgänger Ariel Sharon und dessen Sohn Omri standen wegen illegaler Wahlkampffinanzierung in der öffentlichen Diskussion. Omri Sharon wurde wegen Falschaussage und Dokumentenfälschung sogar zu neun Monaten Haft verurteilt.

Olmerts Kabinettschefin Shula Zaken steht im Zusammenhang mit der Besetzung wichtiger Posten bei den Steuerbehörden unter Korruptionsverdacht.

Generalstabsschef Dan Halutz ist erst vor wenigen Tagen zurückgetreten. Ihm wird vorgeworfen, kurz vor der erfolglosen Libanonoffensive im Sommer des Vorjahres Aktien verkauft zu haben und damit einem Kurssturz zuvorgekommen zu sein.

Würden derzeit in Israel Wahlen stattfinden, bliebe wohl kein Stein auf dem anderen. Oppositionschef Benjamin Netanyahu wäre der große Wahlsieger. Aber auch er hat keine wirklich weiße Weste. 1999 entging er nur knapp einer Verurteilung. Er soll Arbeiten an seiner Privatvilla aus Steuergeld bezahlt und sich Geschenke von Staatsbesuchen privat angeeignet haben.

Angesichts all dieser Affären wundert es niemanden, dass das Image der israelischen Politiker im Keller ist. Doch ist daran auch das politische System Israels mit seiner extremen Aufsplitterung schuld, das Korruption begünstigt. Zehn Parteien sitzen im Parlament. Manche haben nur wenige Abgeordnete, sind aber für Mehrheiten entscheidend. So war es auch bei der Präsidentenwahl im Jahr 2000, als Katzav mit nur wenigen Stimmen Vorsprung vor dem als Sieger gesetzten Shimon Peres gewann. Der inzwischen 83-jährige Peres gilt jetzt als Favorit für die Katzav-Nachfolge.