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Israel sollte seine Lehren aus 1973 ziehen

Von David Ignatius

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Damals schlug die Regierung ein Verhandlungsangebot der Araber in den Wind - Krieg war die Folge. Den Fehler sollte sie im Fall Iran nun vermeiden.


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Während die US-iranische Diplomatie in die heiße Phase kommt und der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu Besorgnis über die Risiken von Verhandlungen zum Ausdruck bringt - er nannte den iranischen Präsidenten Hassan Rohani einen "Wolf im Schafspelz" -, lohnt es sich, 40 Jahre zurückzuschauen, zum Vorspiel des arabisch-israelischen Kriegs 1973. Fast ein Jahr vor Kriegsbeginn am

6. Oktober 1973 hatte der damalige ägyptische Präsident Anwar Sadat Geheimverhandlungen mit den USA über ein Abkommen geführt, das Frieden zwischen Ägypten und Israel hätte bringen können. Eine neue israelische Studie kommt zu dem Schluss, dass der Krieg zu verhindern gewesen wäre, wenn man der Diplomatie mehr Chance gegeben hätte.

"Die damalige israelische Führung verstand die Lage nicht und handelte arrogant, aus übersteigertem Selbstvertrauen und politischer Blindheit", schreibt Yigal Kipnis in seinem neuen Buch "1973: The Road to War". Das Buch, basierend auf jüngst veröffentlichten israelischen Aufzeichnungen, erschien voriges Jahr in hebräischer Sprache, die englische Übersetzung kommt soeben auf den Markt.

1973 herrschte in Israel eine ähnliche Reserviertheit gegenüber Verhandlungen wie heute. Henry Kissinger führte die Geheimdiplomatie der USA. Er war damals nationaler Sicherheitsberater von Präsident Richard Nixon und wurde dann Außenminister. Ägypten drohte, Israel anzugreifen, um die im Krieg von 1967 verlorenen Gebiete zurückzugewinnen. Aber Sadats nationaler Sicherheitsberater Hafez Ismail sagte Kissinger, dass Sadat eine Friedensinitiative bevorzuge, die Ägypten den größten Teil der Sinai-Halbinsel zurückbringt.

Laut Kipnis war Sadat bereit, im September 1973 mit den offiziellen Verhandlungen zu beginnen. Kissinger informierte Yitzhak Rabin und dann Simcha Dinitz, die damals Botschafter in Washington waren, über die Einzelheiten seiner geheimen Gespräche. Dieser Austausch war so heikel, dass die Israelis von Kissinger unter dem Codenamen Shaul sprachen und von Nixon unter dem Codenamen Robert. Rabin informierte Premierministerin Golda Meir, aber sie und andere israelische Politiker reagierten zurückhaltend. "Für Meir war Sadat der Feind und nicht glaubwürdig", schreibt Kipnis.

Die ganze Geschichte ist schmerzlich, weil wir heute wissen, wie sie ausgegangen ist. Ägypten und Syrien griffen Israel am Versöhnungstag Jom Kippur an. Die israelische Führung misstraute Sadats Friedensangeboten, aber der israelische Geheimdienst bezweifelte auch Sadats Kriegsbereitschaft. Israel, überrascht und ungeschützt, hatte 2500 Tote zu beklagen. Die Verluste auf arabischer Seite waren weit höher.

Seine Einstellung zum Iran stellt Netanyahu heute vor ein Dilemma, das dem Meirs 1973 ähnlich ist: Sind Friedensangebote von Israels Gegnern ernstzunehmen oder nur ein Deckmantel für kriegerische Aktionen? Die Erfahrungen aus 1973 lehren, dass es wert ist, sich auf Verhandlungen einzulassen, wenn die Vorschläge glaubwürdig sind.

Übersetzung: Redaktion

Siehe auch:
Originalfassung "Lessons from a 1973 war"