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Israel verstärkt die Offensive

Von WZ Online

Politik

Libanon appelliert an die UNO | Israelische Panzer im Gazastreifen | Hisbollah proklamiert den Krieg | Flüchtlingskolonnen auf dem Weg nach Syrien | Das Hauptquartier der libanesischen Hisbollah-Miliz im Süden von Beirut ist laut einem Bericht des Hisbollah-eigenen Fernsehsenders Al-Manar durch einen israelischen Luftangriff zerstört worden. Auch das Büro und der Wohnsitz von Hisbollah-Chef Scheich Hassan Nasrallah seien bei dem Angriff getroffen worden, teilte die radikal-islamische Miliz mit. Nasrallah und seine Familie und Leibwächter seien aber unverletzte und in Sicherheit. Ob andere Personen zu Schaden kamen, war zunächst unklar.


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Der Wohnblock, in der Milizenchef lebte, sei zerstört worden. Das israelische Militär erklärte, die Luftwaffe habe zwei Hauptquartiere der Hisbollah in einem Vorort Beiruts angegriffen. Zu der Frage, ob Nasrallah Ziel des Angriffs gewesen sei, äußerte sie sich nicht. Der israelische Innenminister Ronni Bar-On hatte zuvor Nasrallah mit gezielter Tötung gedroht. Hisbollah-Milizen hatten am Mittwoch zwei israelische Soldaten verschleppt. Daraufhin startete Israel seine Militäroffensive im Libanon. Die dramatische Eskalation im Nahost-Konflikt kostete bisher mindestens 75 Menschen das Leben, darunter zwölf in Israel.

Israel will seine Angriffe auf den Libanon erst nach der Entwaffnung der pro-iranische Schiiten-Miliz Hisbollah einstellen. Ministerpräsident Ehud Olmert stelle drei Bedingungen für ein Ende der militärischen Offensive, sagte Regierungssprecherin Miri Eisin am Freitag. Er verlange, das die Hisbollah die beiden im Südlibanon entführten israelischen Soldaten freilasse, dass sie ihre Raketenangriffe einstelle und dass sie die UNO-Resolution 1559 erfülle. Die Resolution sieht die Entwaffnung und Auflösung aller libanesischen und nicht-libanesischen Milizen vor. Wenn diese Bedingungen erfüllt seien, sei Israel zur Kooperation mit der UNO-Delegation von Generalsekretär Kofi Annan bereit, sagte Eisin.

Flucht nach Syrien

Zahlreiche ausländische Staatsbürger wollen den Libanon zu verlassen. Es haben sich Autokolonnen mit Flüchtlingen gebildet, die in Richtung Syrien fahren. Etwa 20.000 Libanesen und ausländische Touristen sind nach syrischen Angaben bereits in Syrien eingetroffen.

Das amerikanische Außenministerium bereitet Pläne zur Evakuierung der 25 000 Amerikaner im Libanon vor. Das sagte Sprecher Sean McCormack am Freitag in Washington. Dazu gehöre auch Rücksprache mit dem Verteidigungsministerium über etwaige militärische Hilfe.

McCormack betonte aber, dass die Amerikaner die Sicherheitssituation zur Zeit selbst abschätzen müssen. Eine sichere Ausreiseroute gibt es nach der israelischen Bombardierung des Flughafens von Beirut nicht. Libanon hat nur Grenzen zu Israel und Syrien. Das amerikanische Kriegsschiff "USS Iwo Jima" liegt im Roten Meer zwischen Ägypten und Saudi-Arabien. Es würde mehrere Tage brauchen, um die Küste des Libanon zu erreichen.

Auch die Regierungen der skandinavischen Länder begannen am Freitag mit der Ausarbeitung von Evakuierungsplänen für mehrere tausend eigene Bürger im Libanon. Während die norwegische Regierung in Oslo ankündigte, man wolle versuchen, am Sonntag Bustransporte von Beirut in die syrische Hauptstadt Damaskus zu organisieren, erwägt Schwedens Außenministerium eine Evakuierung auf dem Seeweg nach Zypern.

Offensive im Gazastreifen

Parallel mit den Angriffen auf Ziele im Libanon sind am Samstagabend israelische Soldaten mit Panzern und Schützenpanzern in den nördlichen Gazastreifen eingerückt. Die Truppen hätten die Grenze im Gebiet der Stadt Beit Hanoun in der nordöstlichen Ecke des Gazastreifens überschritten, berichteten palästinensische Bewohner. Gegenüber liegt die israelische Stadt Sderot, die wiederholt Ziel palästinensischer Raketenangriffe war.

Die Soldaten bezogen den Berichten zufolge Position auf dem Land von Bauern außerhalb Beit Hanouns. Die israelischen Streitkräfte erklärten dagegen, es befänden sich keine Soldaten im Norden des Gazastreifens.

Beschuss Nordisraels

Eine israelische Großmutter und ihr fünfjähriger Enkel sind am Freitag beim Beschuss Nordisraels durch Katjuscha-Raketen vom Libanon aus ums Leben gekommen. Sie starben, als ihr Haus in dem Ort Meron von der Rakete getroffen wurde, berichtete die israelische Polizei. Milizionäre der radikal-islamischen Hisbollah schießen seit mehreren Tagen Raketen und Mörsergranaten auf nordisraelische Ortschaften ab. Bisher waren Dutzende Menschen überwiegend leicht verletzt worden.

Hisbollah: Offener Krieg

Nach dem Luftangriff auf sein Büro und seinen Wohnsitz in Beirut hat Hisbollah-Chef Scheich Hassan Nasrallah Israel "den Krieg erklärt". "Ihr wollt den offenen Krieg. Wir werden den Krieg eröffnen", sagte er in einer auf Tonband aufgezeichneten Botschaft, die am Freitagabend vom Hisbollah-eigenen Fernsehsender Al-Manar ausgestrahlt wurde.

"Unsere Häuser werden nicht die einzigen sein, die zerstört werden, unsere Kinder werden nicht die einzigen sein, die sterben", erklärte Nasrallah. Der Hisbollah-Chef drohte mit weiteren Raketenangriffen auf die israelische Hafenstadt Haifa und weiter südlich gelegene Ortschaften.

Ein vor der Küste des Libanon liegendes israelisches Kriegsschiff ist am Freitagabend bei einem Raketenangriff "leicht beschädigt" worden. Dies erklärte eine Sprecherin der israelischen Armee. Dabei soll niemand verletzt worden sein.

Appell Libanons an die UNO

Der libanesische Ministerpräsident Fuad Siniora hat Israel am Samstag zu einem sofortigen Waffenstillstand aufgerufen. Siniora forderte einen sofortigen und vollständigen Waffenstillstand unter Aufsicht der Vereinten Nationen. Israel müsse die "kollektive Bestrafung" seines Volkes beenden, sagte der Regierungschef in einer landesweit übertragenen Ansprache.

Zugleich appellierte Siniora an die Vereinten Nationen, die Regierung des Libanon dabei zu unterstützen, ihre Autorität auf den von der pro-iranischen "Hisbollah" kontrollierten Süden des Landes auszudehnen. Der Südlibanon sei "ein Katastrophengebiet", das der internationalen Unterstützung bedürfe.

Sicherheitsrat: Keine Verurteilung

Der Weltsicherheitsrat hat am Freitag seine Dringlichkeitssitzung zur israelischen Offensive im Libanon ohne die Forderung eines Waffenstillstand beendet. In einer von der amtierenden französischen Ratspräsidentschaft verlesenen Erklärung begrüßte das Gremium lediglich die Entsendung eines UNO-Vermittlerteams durch UNO-Generalsekretär Kofi Annan.

Putin: Friedliche Mittel ausschöpfen

Die Möglichkeiten, die Eskalation der Gewalt im Nahen Osten mit "friedlichen Mitteln" einzudämmen, sind nach Aussage von Russlands Präsident Wladimir Putin "noch nicht ausgeschöpft". Er bedauere, dass das Gipfeltreffen der sieben führenden Industrienationen und Russlands (G-8), das am Samstag in St. Petersburg begonnen hatte, von einer "solchen Verschärfung der Lage" überschattet werde.

Zur aktuellen Entwicklung im Nahost-Konflikt sagte der Gastgeber des Gipfels nach einem Abendessen mit den G-8-Staats- und Regierungschefs in der Nacht zum Sonntag: "Wir haben den Eindruck, dass Israel über die Befreiung der Soldaten hinaus noch weitere Ziele verfolgt."

USA: Keine Aufforderung an Israel

US-Präsident George W. Bush wird Israel nicht auffordern, die Militäroffensive im Libanon einzustellen. "Nein. Der Präsident wird keine militärischen Entscheidungen für Israel treffen", antwortete Präsidialamtssprecher Tony Snow Reportern am Freitag auf die Frage, ob Bush einer entsprechenden Bitte des libanesischen Ministerpräsidenten Fuoad Siniora nachkommen werde.