Zum Hauptinhalt springen

Israel will EU nicht mehr als Vermittler

Von WZ-Korrespondent Andreas Schneitter

Politik
Für den Handel egal, fürs Laubhüttenfest muss die Etrog-Frucht dagegen makellos sein.
© reu/Ronen Zvulun

Israel verzichtet im Nahostkonflikt vorläufig auf die diplomatischen Dienste der Europäischen Union.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Jerusalem. Die Beziehungen zwischen Israel und der Europäischen Union sind auf einem Tiefpunkt angelangt - wegen ein paar Schiffsladungen Datteln, Hautcreme und Weinflaschen. Anfang November beschloss die EU-Kommission in Brüssel, dass israelische Importgüter für den EU-Markt, die aus israelischen Betrieben aus dem besetzten Westjordanland stammen, künftig gesondert gekennzeichnet werden müssen.

Überraschend kam der Entscheid nicht, bereits 2012 hatten die EU-Außenminister den entsprechenden Beschluss gefasst. Der Güteraustausch zwischen Israel und der EU wird davon nur marginal beeinträchtigt: Selbst wenn Konsumenten innerhalb der EU sich wegen der neuen Herkunftsdeklarierung nun gegen den Kauf von Produkten aus israelischen Siedlungsbetrieben entscheiden sollten, wäre weniger als ein Prozent des Handelsvolumens von rund 30 Milliarden Euro betroffen. Mehrheitlich handelt es sich um Lebensmittel und Weine sowie um Kosmetikwaren aus der Region des Toten Meeres. Die israelische Regierung hat dennoch scharf auf den Beschluss reagiert: Einen "extremen und diskriminierenden Schritt, der einem Boykott ähnelt", nannte das Außenministerium in Jerusalem die neue Regelung kurz nach ihrer Bekanntgabe. Diese Woche hat Ministerpräsident Netanjahu das Außenministerium, das ihm direkt untersteht, zusätzlich angeordnet, die Dienste der EU als Vermittlerin zwischen Israelis und Palästinensern neu zu evaluieren und vorläufig darauf zu verzichten.

Damit liegen sämtliche diplomatischen Kontakte zwischen Israel und den Institutionen der EU bezüglich des Friedensprozesses auf Eis. Ein Sprecher des Außenministeriums in Jerusalem sagte, es sei "unvorstellbar, mit der EU einen Dialog über einen Friedensprozess zu führen, während dieselbe Institution gleichzeitig sanktionierende Maßnahmen gegen Israel in die Wege leitet". In den kommenden Tagen soll die Neubewertung der Beziehungen vorgenommen und danach über ihre zukünftige Gestalt entschieden werden.

Währenddessen gehen die Kontakte mit den EU-Mitgliedern auf zwischenstaatlicher Ebene folgenlos weiter. Gestern, Montag, war Netanjahu bei der Klimakonferenz in Paris, wo er die Regierungschefs von Frankreich, Deutschland, Italien und Großbritannien traf. Ein kurzes Treffen war auch mit der EU-Außenministerin Federica Mogherini vereinbart, die von Netanjahu eine Präzisierung des angekündigten Beziehungsabbruchs verlangte. Am 9. Dezember werden Vertreter des sogenannten Nahost-Quartetts, zu dem neben den USA, Russland und den Vereinten Nationen auch die EU gehört, in Israel erwartet, um zusammen mit israelischen wie palästinensischen Behörden nach Wegen zu suchen, die anhaltenden Gewaltausbrüche in der Region Jerusalem und im Westjordanland einzudämmen. EU-Außenministerin Mogherini hat Mitte November mit einem Statement vorzugeben versucht, wo sie die Möglichkeiten der EU sieht, eine Rolle im kollabierenden Friedensprozess zu spielen: Die Sicherheitsbedürfnisse Israels dürften nicht benachteiligt werden, allerdings sei es an der Zeit, den Palästinensern das Recht auf Selbstbestimmung nicht länger zu vorenthalten.

Israel glaubt nicht mehran das Gewicht der EU

Der jüngste Streit zwischen Jerusalem und Brüssel, so folgenlos er voraussichtlich bleiben wird, ist nicht ohne Wert. Er verdeutlicht, wie marginal das politische Gewicht der EU in den Augen Israels geworden ist. Ohne den Einfluss der USA und Russlands ist keine Bewegung im israelisch-palästinensischen Verhältnis zu erwarten. In Washington hat man Fortschritte indes aufgegeben: US-Außenminister Kerry sagte während seines jüngsten Besuchs in der Region vergangene Woche, er werde sich nicht für eine Wiederaufnahme der 2014 ergebnislos abgebrochenen Friedensgespräche einsetzen. Und US-Präsident Obama bekannte bereits im Oktober, nicht mehr an Fortschritte im jahrzehntealten Konflikt während seiner Amtszeit zu glauben. Dass in den jüngsten Gewaltausbrüchen auch US-amerikanische Bürger Opfer von palästinensischen Attacken wurden, verengt zusätzlich den Spielraum der US-Administration, Druck auf Jerusalem auszuüben. Netanjahu ist sich seiner Position derart sicher, dass er den USA sogar vorschlug, Zugeständnisse an die Palästinenser an die offizielle US-Anerkennung israelischer Siedlungsblöcke im Westjordanland zu koppeln. Ein Ansinnen, das Washington deutlich zurückwies.

Auch Moskau wird, seit die Streitkräfte Russlands aktiv in den syrischen Bürgerkrieg eingreifen, die israelische Regierung nicht behelligen.

Kein Problem mitrussischen Flugzeugen

Israels Sicherheitsbehörden sorgen sich um eine Ausbreitung des "Islamischen Staates" (IS) an die israelisch-syrische Grenze und um das Identifikationspotenzial seiner muslimischen Bürger mit dem IS. Die militärische Schlagkraft Russlands kommt Israel daher wie gerufen - es ist sogar bereit, dafür Souveränitätseinbußen in Kauf zu nehmen: Israels Verteidigungsminister Mosche Jaalon bestätigte in einer Radiomeldung, dass bereits mehrmals russische Militärflieger unangekündigt in den israelischen Luftraum eingetreten seien. Anders als die Türkei ließ Jerusalem die Vorfälle ohne jegliche Sanktionen gewähren - im Vertrauen auf beidseitig gute Beziehungen.