Mit den Operationen im Gaza-Streifen und im Südlibanon will Israel seine "Abschreckungsfähigkeit" wieder herstellen, sagt Generalstabschef Dan Halutz. Bis dahin würden die Angriffe weiter gehen.
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Es geht also um weit mehr als lediglich um die Befreiung von drei gefangen genommenen Soldaten. Israel sieht in den Entführungen und in dem Raketenbeschuss des eigenen Gebiets vielmehr Zeichen arabischen Übermuts, der glaubt, Israel sei schon halb besiegt. Nicht nur Hardliner führen dies auf eigene Fehler in der Vergangenheit zurück: Im Mai 2000 sei man aus dem Südlibanon abgezogen, ohne dafür Gegenleistungen zu erhalten; 2004 wurden drei tote israelische Soldaten gegen rund 500 islamische Kämpfer ausgetauscht; 2005 sei man aus dem Gaza-Streifen abgezogen, ohne dass dies den gewünschten Beruhigungseffekt brachte - im Gegenteil: Im Jänner 2006 wurde die Hamas Sieger der palästinensischen Parlamentswahl.
Dadurch hätten die Feinde des jüdischen Staates den Eindruck gewonnen, der Mythos der Unbesiegbarkeit, den die israelischen Armee in ihren Kriegen gegen die Araber erworben hatte, sei dahin, die Abschreckung unwirksam geworden. Daher ist es nun an der Zeit, die Gewichte im Nahen Osten neu zu verschieben, folgert man in Jerusalem.
Die Erfahrungen der Vergangenheit werden dabei von manchen israelischen Kommentatoren als hinderliches Trauma abgetan. Israel hatte 1982 in den libanesischen Bürgerkrieg eingegriffen, um dort die Hauptquartiere der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO anzugreifen. Arafats PLO war 1970 nach dem brutal niedergeschlagenen Aufstand in Jordanien nach Beirut geflüchtet; das dadurch gestörte Gleichgewicht im multikonfessionellen Staat mündete 1975 in den Bürgerkrieg.
Die Vertreibung der PLO aus dem Libanon gelang; unter israelischem Schutz verübten allerdings christliche Milizen ein Massaker in den palästinensischen Flüchtlingslagern Sabra und Schatila. Nach weiteren blutigen Unruhen zog sich Israel 1985 aus dem Großteil des Libanon zurück - bis auf die Sicherheitszone im Südlibanon.
Nachdem Israel auch dort abgerückt war, stieß die schiitische Hisbollah in den frei gewordenen Raum. Sie wiederum war mit iranischer Hilfe 1982 nach dem Einmarsch der israelischen Truppen gegründet worden.
Heute ist sie auch in der libanesischen Regierung vertreten. Zwar gelang es der Zedernrevolution im Verbund mit internationalem Druck, die syrischen Truppen aus dem Land zu vertreiben, danach wurde aber klar, dass ein radikal anti-syrischer Kurs zu einem neuen Bürgerkrieg führen könnte. Der deswegen eingeschlagene Versöhnungskurs hält das Land in einem labilen Gleichgewicht.
Dieses ist nun durch den israelischen Vorstoß gefährdet. Ein Chaos im Nachbarland hat Jerusalem in der Vergangenheit allerdings auf Dauer keine Vorteile gebracht.