Zum Hauptinhalt springen

Israels Arbeiterpartei kurz vor der Spaltung?

Von Mosche Meisels

Politik

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 26 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

In der israelischen Arbeiterpartei zeichnet sich eine akute Spaltungsgefahr ab. Zwischen dem Parteivorsitzenden Ehud Barak und dem früheren Ministerpräsidenten Shimon Peres ist es zum totalen

Bruch gekommen. Seit die sozialdemokratische Arbeiterpartei bei den Parlamentswahlen 1996 eine Niederlage erlitt und der rechte Likud mit Ministerpräsident Benjamin Netanyahu an die Macht kam,

beschuldigt Barak seinen Vorgänger Peres, daß er die Wahl mit seiner Arroganz und Mißachtung der orientalischen (sefardischen) und religiösen Wähler und mit seiner Zusammenarbeit mit der

linkssozialistischen Merez-Partei verloren hat.

Seit seiner Wahl zum Parteivorsitzenden anstelle von Peres bemüht sich Barak unentwegt, die Beziehungen zwischen der Partei und den orientalischen und religiösen Wählern zu verbessern. Er

entschuldigte sich sogar öffentlich vor der orientalischen Bevölkerung dafür, daß die Arbeiterpartei in ihrer Regierungsführung ihren Interessen und Wünschen nicht genügend entgegengekommen sei.

Barak ist auch bemüht, Kontakte mit den politischen Führern der Sefarden und den Rabbinern aufzunehmen, die Einfluß auf die religiösen Parteien haben. Als früherer Generalstabschef vertritt er auch

aus Sicherheitsgründen eine härtere Linie, was die Beziehungen zu den Palästinensern und die Förderung des Nahost-Friedens betrifft, als Peres, der bereit ist, für einen solchen Frieden weitgehende

territoriale Konzessionen zu machen. Barak ist der Überzeugung, daß er mit einer solchen Haltung mehr Aussichten hätte, mehr Anklang und Vertrauen bei den orientalischen und religiösen Wählern zu

finden.

Zum neuerlichen Bruch zwischen Barak und Peres kam es nun aufgrund der für 10. November angesetzten Kommunalwahl. Barak unterstützt dabei den in Marokko geborenen Professor Shimon Shitrit als

Parteikandidat für den Jerusalemer Bürgermeisterposten. Mit dieser Unterstützung versucht er, weitere serfardische Wähler zu gewinnen.

Peres, der für die Bildung einer nationalen Einheitsregierung zur Wiederbelebung des stockenden Nahhostfriedens eintritt, beauftragte die Jerusalemer Parteiführung, Verhandlungen mit dem

Bürgermeister von Jerusalem, Ehud Olmert, über die Bildung einer gemeinsamen Linie zu führen. Olmert gehört der Likud-Führung an, und Peres hofft mit einer solchen Listenverbindung eine nationale

Einheitsregierung mit dem Likud fördern zu können. Die Jerusalemer Parteiführung schloß gegen den Willen von Parteichef Barak ein Abkommen mit Olmert über eine gemeinsame Liste, was ihren Kandidaten

einige wichtige Plätze in der Liste Olmerts zusicherte.

Barak bezeichnete Peres öffentlich als Saboteur und Umstürzler, der die Einheit der Partei gefährde, und verfügte die Auflösung der Jerusalemer Parteizentrale. Angesichts dieser Auseinandersetzung

ist es zu einem totalen Bruch zwischen Peres und Barak gekommen, der die Gefahr einer Spaltung der Partei heraufbeschworen hat. Peres ist der Ansicht, daß die Partei unter der Führung Baraks keine

Aussicht habe, bei der nächsten Parlamentswahl an die Macht zu kommen. Er zieht die Bildung einer neuen Zentrumspartei vor, die sich das Erreichen eines Nahost-Friedens und die Einschränkung der

derzeitigen politischen Vormacht der religiösen Parteien zum Ziel setzt. APA