Netanyahu: Palästinenser müssen Israel als jüdischen Staat anerkennen.
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Tel Aviv. Israel lobt sich selbst oft als die "einzige Demokratie" im Nahen Osten. Daneben ist es per Grundgesetz als jüdischer Staat definiert. Nur könne Israel in Zukunft weder demokratisch noch jüdisch bleiben, wenn es mit der Besatzungspolitik so weiter macht, wie bisher, ist der US-Journalist und Autor Peter Beinhart überzeugt. Sein Argument verteidigte er diese Woche auch vor hunderten Zusehern im Kunstmuseum Tel Aviv mit dem Rabbiner und Politiker Michael Melchior gegen zwei ehemalige israelische Botschafter.
"350.000 Siedler sind nicht zufällig ins Westjordanland gekommen", sagt Beinart, dessen jüngstes Buch vor dem Ende der israelischen Demokratie warnt. Es ist vielmehr eine Folge der israelischen Besatzung des Palästinensergebiets. "Es gibt einen Mythos, dass all die Siedlungen einer Friedenslösung nicht im Weg stehen, weil sie in jedem möglichen Abkommen Teil Israels bleiben. Aber das ist falsch", so Beinart im Rahmen der internationalen Debattenreihe "Intelligence Squared".
Schon die Siedlung Ariel schneidet mit 17.000 Einwohnern 14 Kilometer weit ins Westjordanland. "Wenn Israel Ariel nicht mehr evakuieren kann, dann ist die Besatzung des Westjordanlandes unumkehrbar." So werde auch die Zweistaatenlösung des Konflikts unmöglich. Millionen Palästinenser müssten dann entweder israelische Staatsbürger werden - oder militärisch unterdrückt. "Israel macht seine Kontrolle über das Westjordanland dauerhaft und läuft damit auf einen Südafrika-Stil von Besatzung zu. Der jüdische Staat Israel wird dann Geschichte sein", sagte Beinart.
"Ethnokratie"
Im besetzten Westjordanland ist Israel auch heute keine Demokratie. Hier haben sich 350.000 Siedler unter militärischem Schutz ethnisch homogene Enklaven aufgebaut, in denen Juden Grundrechte genießen und sich frei bewegen können, während die Palästinenser rundherum in vielen Fällen rechtlos sind und vor Militärgerichte gestellt werden. "99 Prozent der in 2010 vom Militär angeklagten Palästinenser wurden verurteilt", so Beinart. "Dort herrscht Ethnokratie."
Als vorwiegend territorialen Konflikt will der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu den Nahost-Konflikt dennoch nicht sehen. Der Konflikt sei ein Streit um Anerkennung, nicht um Territorium, meinte der Likud-Politker am Mittwoch. Zunächst müssten die Palästinenser Israel als Heimatland der Juden anerkennen; erst dann könne man über Frieden sprechen. Damit hat er etwa nicht auf die Debatte in Tel Aviv geantwortet, sondern der Arabischen Liga, die sich erstmals zur Möglichkeit eines Gebietsaustausches zwischen Israel und den Palästinensern im Rahmen eines Friedensabkommens bekannt hat. Die Arabische Liga - bestehend aus 21 Mitgliedsstaaten und Palästina - hatte Israel schon im Jahr 2002 eine "Normalisierung" von Beziehungen angeboten, sollte Israel sich aus den besetzten Gebieten auf die internationalen anerkannten Staatsgrenzen von 1967 zurückziehen und einen unabhängigen palästinensischen Staat mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt anerkennen. Israel boykottiert diese Initiative aus strategischen Gründen jedoch bis heute.
Netanyahus Forderung nach einer symbolischen Anerkennung Israels als jüdischer Staat stellt Palästinenserpräsident Mahmud Abbas aber auch vor eine Unmöglichkeit: Immerhin sind rund 21 Prozent der Bevölkerung Israels palästinensische Araber. Ein derartiges Statement würde Abbas politisch nicht überleben. Der Palästinenserpräsident wies Netanyahus Forderung während seines Besuchs in Wien zurück, bekannte sich gleichzeitig aber zur Arabischen Initiative unter einem möglichen Abkommen Israel die Beibehaltung einiger Siedlungen zu gestatten, sofern Palästina im Tausch dafür gleichwertige Landstriche im israelischen Grenzgebiet bekommt.
Die Gegner von Peter Beinart in der Debatte in Tel Aviv ließen jedoch wenig Hoffnung auf ein Umdenken der dominierenden politischen Rechten in Israel. "Wenn du nicht von der Speisekarte isst, wirst du Teil der Speisekarte", zitierte der ehemalige Botschafter Yoram Ettinger ein altes Sprichwort. Nach teils rassistischen Tiraden gegen Araber argumentierte er dafür, dass jüdische Israelis die Palästinenser letztlich durch Geburtenraten besiegen werden. "Eine Friedenslösung im Schlafzimmer?" konterte Beinart.
Der ehemalige israelische UN-Botschafter Dan Gillerman wollte sich ebenfalls nicht vor Peter Beinarts "Schreckensszenarien fürchten, die uns weismachen wollen, dass Israel bald nicht mehr jüdisch und demokratisch sein wird." Das Publikum durfte am Ende aber selbst abstimmen: 50 Prozent stimmten für, und 37 gegen das Argument, dass Israel nicht so weiter machen kann, wenn es demokratisch und jüdisch bleiben will. Der Rest blieb unentschieden. Nur, wie lange noch?