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Ist Ayatollah Khamenei todkrank?

Von WZ-Korrespondent Arian Faal

Politik

Krisensitzung der religiösen Führung. | US-Experte bringt Stein ins Rollen. | Teheran/Wien. Es war ein besonderes Freitagsgebet in Teheran diese Woche. Weder die rezitierten Verse aus dem Koran noch politische Kommentare standen im Mittelpunkt des Interesses der iranischen Bevölkerung. Nur eine Frage wurde heftig diskutiert: Wie steht es um den Gesundheitszustand von Irans mächtigstem Mann, Ayatollah Ali Khamenei?


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Der Auslöser: Der 70-Jährige war am Mittwoch zu einer Veranstaltung nicht erschienen und entfachte damit Spekulationen über seinen Zustand aus. In einem Internet-Blog berichtete der US-Außenpolitikexperte Michael Ledeen, Khamenei sei zusammengebrochen, in eine "Spezial-Klinik" eingeliefert worden und liege im Koma.

Damit brachte Ledeen den Stein ins Rollen. Seit dem Kollaps soll es nur noch seinem Sohn Mojtaba und den behandelnden Ärzten erlaubt sein, bei ihm zu bleiben, zitiert die israelische "Jerusalem Post" aus dem Blog. Sein Leben läge jetzt in der "Hand Gottes", so die Zeitung.

Schwäche offensichtlich

Diskussionen über seine Gesundheit hat es in den letzten Jahren immer wieder gegeben. Sogar sein Tod wurde 2007 genau von jenem Michael Ledeen gemeldet und dann wieder dementiert. Doch diesmal scheint es etwas Ernsteres zu sein. Wer seine letzten Auftritte im September und Oktober sah, wusste, dass er sich zum Reden quälte und immer wieder inne hielt. Schon vor Ausbruch der aktuellen politischen Krise durch die Präsidentschaftswahlen im Juni hatte Irans zweitmächtigster Mann, Ali Akbar Hashemi-Rafsanjani davon gesprochen, dass nach einem Ausscheiden Khameneis durch Tod oder Invalidität kein Einzelner mehr, sondern ein Gremium die Position des obersten geistlichen Führers übernehmen sollte. Spekulationen über einen kalten Staatsstreich, durch den Rafsanjani den geistlichen Führer seines Amtes entheben und einen Kurswechsel herbeiführen könnte, erwiesen sich als falsch.

Die Führung in Teheran sah sich gezwungen, auf die Gerüchte zu reagieren. Einerseits ließ man aus Regierungskreisen von Präsident Mahmoud Ahmadinejad verkünden, dass alle "dummen und widerwärtigen Spekulationen über den Zustand des geschätzten Führers" jeder Grundlage entbehrten und nur dazu dienten, die bevorstehenden Atomgespräche zwischen dem Westen und dem Iran zu gefährden.

Was fehlt Khamenei?

Andererseits liegen der "Wiener Zeitung" Berichte vor, dass sich die religiöse Führungselite bereits zu einer Art Krisensitzung wegen Khameneis Zustand getroffen haben soll. Fazit: Das Gerücht hat den Iran innenpolitisch zum Beben gebracht. Seit Tagen kursieren die wildesten Spekulationen über mögliche Krankheiten Khameneis im Netz. Es wird gebloggt und getwittert, was das Zeug hält. Prostataprobleme, Lungenkrebs und Atemnot soll er haben, seine öffentlichen Auftritte seien nur noch Kraftakte, die der Show dienen.

Sogar über seinen Tod wird schon spekuliert. Jeder im Iran hat mitbekommen, dass sich sein Zustand seit der Wahl drastisch verschlechtert hat. Als Ursache sehen Beobachter die schweren Proteste nach der Präsidentenwahl und den damit zusammenhängenden Prestigeverlust Khameneis. Er hat das sehr persönlich genommen", erläutert Farshid P., politischer Analyst im Iran gegenüber der "Wiener Zeitung".

Eines hat die Debatte bereits ausgelöst: Ein sich anbahnender offener Machtkampf zwischen Staatschef Ahmadinejad und seinem Vorgänger Hashemi Rafsanjani, sprich Hardliner gegen Reformer. Ledeen spricht sogar von einer "gespenstische Atmosphäre", die über Teheran liegen würde.